Die Akte Vaterland: Gereon Raths vierter Fall (German Edition)
Dumm bist du nicht.«
Es brauchte einen Moment, bis der Groschen bei ihr fiel, dann trommelte sie mit ihren Fäusten auf ihn ein, bis er sie wieder eingefangen hatte.
»Du Schuft«, sagte sie, aber sie lächelte immer noch. Das immerhin hatte er geschafft: Ihr Lächeln blieb stabil.
»Ich wusste ja, dass es nur vorübergehend ist, in der Inspektion A, aber irgendwie hat es mich dann doch getroffen, als Gennat mir vorhin eröffnet hat, dass ich am Montag wieder bei der Wieking sitze.« Sie zuckte die Achseln. »Aber er hat recht. Die Ermittlungen sind so gut wie abgeschlossen. Was noch bleibt, ist mehr eine Aufgabe für die Fahndung: Jakub Polakowski zu finden.«
»Ich sehe das anders«, sagte Rath. »Wir haben noch überhaupt nichts gegen Gustav Wengler in der Hand.«
»Auf den Mann hast du dich aber eingeschossen, was? Vergiss nicht, dass er bedroht wird.«
»Das vergesse ich nicht. Ich vergesse aber auch nicht, dass er ein junges Mädchen ermordet hat. Und um das zu verschleiern, eine Bibliothekarin hat ermorden lassen, eine Frau, die niemandem je etwas Böses getan hat. Und seinen alten Kompagnon Aßmann hat er ebenso eiskalt umbringen lassen.«
Charly guckte mit einem Mal wieder ernst, ihr Lächeln war verschwunden.
Sie hatte es ihm erzählen wollen, aber sie konnte nicht. Was hätte sie auch sagen sollen? Hätte sie ihm die Bilder beschreiben sollen, die sie sah? Harald Dettmann, der Dietrich Aßmann mit einem gekonnten Griff den Hals umdrehte? Sogar das Knacken konnte sie hören, wenn die Knochen brachen, konnte Aßmanns Zigarette zu Boden fallen und Dettmann darauftreten sehen.
Aber wie sollte sie Gereon so etwas erzählen? Ohne dass es wieder Streit gab?
Sie lehnte sich an seine Schulter, als er den Buick über die Tiergartenstraße in den Westen steuerte. Er warf ihr einen kurzen Seitenblick zu, dann legte er seine Rechte um sie.
Charly wunderte sich über sich selbst, über ihr Anlehnungsbedürfnis, ihre Angst vor einem Streit. Sie wollte einfach nur ein friedliches Wochenende.
Sie schaute auf die Scheibenwischer, die gegen den Regen kämpften. Kurz nach zwei hatte er eingesetzt, als sie die Burg gerade verlassen hatten.
Eine ganze Weile saß sie so da, an ihn gelehnt, und genoss es, einfach neben ihm zu sitzen. Sie hatten bereits die Gedächtniskirche erreicht, deren Turmspitze durch die Regenschleier nur zu ahnen war, da musste Charly doch noch etwas sagen, sie konnte sich nicht länger beherrschen. Einfach mal antippen, das Thema, und gucken, wie Gereon reagiert.
»Das mit Aßmann«, fragte sie, »meinst du, das war wirklich ein Kollege?«
Sie spürte, wie er die Achseln zuckte. »Schwer zu sagen. Würde eher auf eine gefälschte Polizeimarke tippen.«
»Aber einem wie Dettmann würde ich so etwas glatt zutrauen.«
»Charly! Du darfst das mit Dettmann nicht so persönlich nehmen! Der Mann ist ein Arschloch, aber deswegen muss er nicht gleich ein Mörder sein.«
»Ich meine ja auch nur, dass ich ihm so etwas zutrauen würde.«
»Jedem Menschen ist ein Mord zuzutrauen, das ist doch das Erste, was Gennat einem beibringt.«
»Jedem Menschen? Also auch dir?«
Er stockte einen Moment, bevor er weitersprach. »Das ist nicht lustig«, sagte er.
»’tschuldige.« Sie richtete sich wieder auf und schaute ihn an. »Ich weiß, das mit deiner Unterschrift war ein gemeiner Scherz, aber gerade deswegen käme doch so jemand wie Dettmann infrage. Der wartet doch nur auf so etwas.«
Gereon dachte zwar nach, das konnte sie seinem Gesicht ansehen, doch griff er ihre Idee nicht auf. Sie wusste schon, welcher Name fallen würde, noch bevor er den Mund aufmachte.
»Das war die Idee von Gustav Wengler«, sagte er, eine gewisse Entschiedenheit in der Stimme. »Noch so ein Versuch, mir Schwierigkeiten zu bereiten, genau wie in Ostpreußen. Ich werde ihm langsam lästig, und ich sage dir, das ist ein gutes Gefühl. Ich scheine also alles richtig zu machen.«
»Bist du überhaupt noch objektiv in dieser Sache? Du scheinst Wengler um jeden Preis etwas anhängen zu wollen.«
»Etwas anhängen ?« Gereon schaute sie entrüstet an. »Dieser Mann hat vor zwölf Jahren seine Verlobte getötet und diesen Mord einem anderen angehängt. Und dann auch noch Kapital daraus geschlagen.«
»Ein Mord, den du ihm nicht nachweisen kannst.«
»Den ich ihm aber nachweisen werde, verlass dich drauf! Und wenn nicht den, dann einen anderen. Den an Maria Cofalka zum Beispiel, oder den an Dietrich Aßmann.«
»Die hat er
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