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Die Akte Vaterland: Gereon Raths vierter Fall (German Edition)

Die Akte Vaterland: Gereon Raths vierter Fall (German Edition)

Titel: Die Akte Vaterland: Gereon Raths vierter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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Grigat klopfte auf die Mappe. »Lassen Sie uns gleich beim Essen darüber sprechen. Ich habe für ein Uhr einen Tisch im Salzburger Hof bestellt.«
    »Machen Sie doch meinetwegen nicht solche Umstände.«
    »Ach was, Umstände.« Grigat winkte ab. »Ich esse mittags immer dort. Ist übrigens auch Ihr Hotel; ich habe mir erlaubt, ein Zimmer für Sie reservieren zu lassen.«
    Die Rundumbetreuung, die sie ihm hier angedeihen ließen, ging Rath gehörig auf die Nerven. Aber vorerst fügte er sich in sein Schicksal.
    »Vielen Dank«, sagte er und schaute auf die Uhr. »Bis eins ist es ja noch etwas hin. Wenn Sie erlauben, werde ich schon einmal mein Hotelzimmer beziehen und mich etwas frisch machen. Ich habe die letzte Nacht im Flugzeug verbracht und fühle mich noch ein wenig … ähh … zerknittert.« Er drückte die Zigarette aus und stand auf. »Wir sprechen uns dann um eins im Restaurant.«
    »Natürlich.«
    »Ach«, sagte Rath und nahm die Mappe vom Tisch, »Sie erlauben doch? Dann kann ich mich vor unserem Gespräch schon etwas einlesen.«
    Grigat machte ein Gesicht, als wolle er eigentlich nicht erlauben. Dann aber kehrte das freundliche Lächeln zurück, und er sagte noch einmal: »Natürlich.«
    Wenig später standen Rath und Kowalski an der Rezeption des Salzburger Hofs . Nachdem Kowalski Raths Koffer am Tresen abgestellt hatte, machte er Anstalten, sich zu verabschieden.
    »Wo übernachten Sie denn?«, fragte Rath. Es hätte ihn nicht gewundert, wenn der Kriminalassistent sich mit dem Rücksitz des Dienstwagens begnügt hätte.
    »Mein Onkel«, sagte Kowalski, »wohnt gleich um die Ecke. Goldaper Straße.«
    Rath nickte.
    »Melde mich um eins wieder zum Dienst, Herr Kommissar, wenn Sie erlauben.«
    »Aber natürlich, gehen Sie zu Ihrem Onkel. Ich brauche Sie erst um zwei wieder hier.«
    Kurz darauf stand Rath im ersten Stock am Fenster und schaute hinaus. Sie hatten ihm ein Zimmer mit Balkon und Blick auf den Treuburger Marktplatz gegeben, sogar eines mit eigenem Bad und fließend Wasser, worauf der Hotelier an der Rezeption stolz hingewiesen hatte. Der Koffer stand noch unausgepackt neben dem Schrank, doch Rath ließ sich erst einmal aufs Bett fallen; er fühlte sich restlos erschlagen von der masurischen Gastfreundschaft und war froh, endlich allein zu sein. Er döste eine Weile, bis ein Blick auf den Wecker ihm zeigte, dass es Zeit wurde. Keine halbe Stunde mehr bis zu seinem gemeinsamen Mittagessen mit Polizeimeister Grigat.
    Er ging ins Bad und schaufelte sich mit den Händen so lange kaltes Wasser ins Gesicht, bis er sich wieder einigermaßen frisch fühlte. Dann nahm er Grigats Mappe und setzte sich ans Fenster.
    Die Informationen, die die Treuburger Polizei zusammengetragen hatte, waren zwar vergleichsweise dünn, aber doch lückenlos. Alle drei Männer hatten tatsächlich mehrere Jahre gemeinsam in Treuburg gelebt. Beziehungsweise Marggrabowa, wie es damals noch hieß. August Simoneit und Hans Wawerka hatten ihre Heimat nie verlassen, bis zum Sommer 1924, in dem beide ihre Sachen packten und in den Westen zogen, der eine nach Wittenberge, der andere nach Dortmund.
    Herbert Lamkau war ein paar Jahre vor dem Krieg nach Marggrabowa gekommen und hatte seine Meldeadresse zunächst auf dem Gut Luisenhöhe gehabt, für das er später Kornbrand verkaufen sollte, dann aber in der Lindenallee gewohnt. Ebenfalls bis 1924. Simoneit hatte vor dem Krieg in einem Dorf namens Krupinnen gelebt, das auch zum Kreis Oletzko gehörte, und war nach seiner Rückkehr aus dem Krieg 1918 in Marggrabowa am Legasteg gemeldet. Und Wawerka hatte immer schon in der Schmalen Gasse direkt in der Stadt gewohnt.
    Rath beschloss, sich nach dem Mittagessen erst einmal die Adressen der drei Männer anzuschauen, bevor er sich in der Kornbrennerei umsah. Und dann musste er in Erfahrung bringen, was im Frühjahr 1924 passiert war. Was hatte drei Männer veranlasst, in diesem Jahr die Stadt zu verlassen? Er war sich sicher, dass er, wenn er diese Frage beantworten konnte, auch wissen würde, was diese drei Männer miteinander verband. Und vielleicht auch, warum sie sterben mussten.
    Er zündete sich eine Zigarette an, trat hinaus auf den kleinen Balkon und schaute auf den Platz. Der größte Marktplatz Deutschlands also, wie man nicht müde wurde zu betonen. Und im Moment wahrscheinlich auch der ausgestorbenste. Hatte dort eben noch halbwegs lebendiges Treiben geherrscht, lag die weite Fläche nun öde und leer in der Mittagshitze. Die

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