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Die Akte Vaterland: Gereon Raths vierter Fall (German Edition)

Die Akte Vaterland: Gereon Raths vierter Fall (German Edition)

Titel: Die Akte Vaterland: Gereon Raths vierter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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generöses Timbre, »ist ortskundig und wird Sie nach Masuren begleiten.«
    Das hatte ihm noch gefehlt! Rath hatte sich auf eine einsame Autofahrt durch die Weiten Ostpreußens gefreut, und nun hatten sie ihm einen Aufpasser an die Seite gestellt. So kam es ihm jedenfalls vor, als er sich neben dem schweigsamen Kowalski auf der schmalen Vorderbank eines pechschwarzen Wanderer W 10 wiederfand, der seine besten Tage bereits hinter sich hatte. Baujahr 26, schätzte Rath, jedenfalls deutlich älter als die grünen Opel ihrer Berliner Dienstwagenflotte. Er hätte nie gedacht, dass er sich einmal nach einem dieser Opel sehnen würde.
    Während Kriminalassistent Kowalski den Wagen durch das erwachende Königsberg steuerte, am Schloss vorbei und über ein paar Brücken, dachte Rath darüber nach, ob Gennat um diese Begleitung gebeten haben mochte oder ob das die Idee von Kriminalrat Grunert gewesen war. Jedenfalls war er sich nicht sicher, ob der Mann als Hilfe gedacht war oder als Kontrolle. Wenigstens stammte er aus der Treuburger Gegend, konnte in dieser Hinsicht also vielleicht noch von Nutzen sein.
    Rath zündete sich eine Overstolz an und überlegte, ob er Anton Kowalski darauf aufmerksam machen sollte, dass die Spuren der morgendlichen Rasur noch in seinem Gesicht prangten, ließ es dann aber sein. Die meisten Papierfetzen waren inzwischen ohnehin abgefallen, nur einer hielt sich hartnäckig unterm Kinn. Rath ließ den Zigarettenrauch durch die Nase strömen, damit Kowalski sein Seufzen nicht hörte, und schaute in die andere Richtung. Sie passierten gerade ein massives, geducktes Stadttor und eine Parkanlage, und dann begann die Stadt auch schon, mit Schrebergärten und Vorstadthäuschen in die Landschaft auszufransen.
    Eine lange Weile ertrug Rath die Sprachlosigkeit seines Fahrers, doch mit jeder Zigarette und jedem Kilometer schmolz seine Geduld. Eine knappe Stunde mochte es nun schon her sein, seit sie in der Stresemannstraße in den Wagen gestiegen waren, und keiner von ihnen hatte seither ein Wort gesprochen. Das war mehr, als ein Rheinländer zu ertragen bereit war, und Rath beschloss, dem Schweigen endlich ein Ende zu setzen.
    »In Berlin habe ich auch schon mit ostpreußischen Kollegen zusammengearbeitet«, begann er nach einem kurzen Räuspern. Kowalski nickte stumm und überholte ein überladen wirkendes Pferdefuhrwerk. Rath zündete sich die nächste Zigarette an und schwieg. Ihm war gerade noch eingefallen, dass Stephan Jänicke tot war und Helmut Grabowski im Gefängnis saß, die Schicksale dieser beiden ostpreußischen Kollegen also wenig geeignet waren, um eine lockere Unterhaltung in Gang zu bringen. Er rauchte und schaute aus dem Autofenster auf die Straße, eine verträumte Allee, die durch die Landschaft mäanderte und sie gerade in sanftem Schwung an einem stillen See vorbeiführte, der von Wäldern und Weizenfeldern eingerahmt war.
    Schließlich versuchte er einen zweiten Anlauf. »Schön hier«, sagte er. »Die Gegend, meine ich.«
    Wieder nickte Kowalski nur und sagte keinen Ton.
    »Sie stammen also aus Treuburg?«
    Erneutes Nicken.
    »Ist es da auch so schön?«
    »Schöner.«
    Rath wusste nicht, ob er diese Antwort schon als Erfolg verbuchen sollte, aber wenigstens hatte er den Mann überhaupt mal zum Sprechen gebracht. Allerdings blieb es auch bei dem einen Wort. Rath drückte die Zigarette aus. Sie passierten ein kleines Städtchen. Wehlau, Reg.   Bez. Königsberg stand auf dem Ortsschild. Direkt am Ortseingang hatte ein Storchenpaar sein Nest auf einen Telegrafenmast gebaut.
    »Warum sind Sie weggegangen, wenn es in Treuburg so schön ist?«
    »Bin versetzt worden.«
    »Kennen Sie die Firma Mathée? Luisenbrand?«
    Kowalski drehte den Kopf und taxierte Rath, vorwurfsvoll, als halte er ihn für einen Trinker. Dann nickte er wieder und schaute auf die Straße.
    »Gehört zum Gut Luisenhöhe«, sagte er, und diesmal drehte Rath den Kopf und schaute seinen Fahrer erstaunt an.
    »Ein richtiges Gut? Mit adligem Junker und allem Drum und Dran?«
    Kowalski schüttelte den Kopf. »Gehörte mal den von Mathées, Hugenotten, vom Alten Fritz persönlich geadelt, aber die haben in der Inflation Pleite gemacht, oder so.«
    »Und jetzt?«
    »Mathées alter Geschäftsführer hat das Ganze damals übernommen.«
    »Wengler? Direktor Wengler?«
    »Genau. Der hat ein richtiges Musterunternehmen aus dem Gut gemacht. Vor allem aus der Brennerei. Mathée Luisenbrand geht heute in alle Welt. Darauf ist man

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