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Die Akte Veden

Die Akte Veden

Titel: Die Akte Veden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Meier
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Unterschlüpfen der Seelenlosen aus, erreichten die Bushaltestelle und stiegen in den nächsten Bus. Fünf Haltestellen später stiegen sie am Busbahnhof wieder aus. Sie überquerten die breite Straße, stellten sich nebeneinander an den Bordstein und warteten auf die Straßenbahn, die sie in den Westen bringen würde.
    Keiner von beiden sah einen der Vorbeigehenden an. Sie hielten die Blicke starr nach vorne gerichtet, scheinbar ins Nichts, wie immer.
    ›Sicherheitspolizei von links‹, sagte Hora irgendwann.
    Chest sah nicht hin, aber er spürte die Anwesenheit dieser drei Personen. Einige der anderen Passanten suchten das Weite, wichen den SP aus oder verzogen sich in die Schatten. Nur Chest und Hora blieben bewegungslos stehen.
    Die SP kamen direkt auf sie zu. Als sie nur noch vier Schritte entfernt waren, drehten sich Chest und Hora – zwei Personen in einer fließenden Bewegung – zu ihnen um und sahen sie an.
    »Wen haben wir denn da?«, sagte der Fette von ihnen. »Wenn das nicht unsere Freunde sind! Wohin des Weges? Doch hoffentlich nichts Illegales im Sinn?«
    Hora streckte die Faust aus und öffnete sie langsam. Auf seiner Handfläche lag ein Tütchen mit mindestens zehn Gramm.
    Der Fette griff zu, schnell und nach allen Seiten blickend. »Bist du wahnsinnig? Noch einmal so eine Provokation und ich schick euch die GP! Wichser!« Mit diesen Worten gingen sie weiter.
    Die Straßenbahn hielt. Chest und Hora stiegen ein, setzten sich ganz hinten in einen Zweiersitz. Die Straßen flogen an ihnen vorbei, graue Schlieren, durchzogen mit vereinzelten Lichtstreifen.
    Ihr Abteil war fast leer. Beim Fahrer drückten sich zwei Seelenlose in ihre Sitze. Ein wenig weiter hinten saß ein junger Mann, der Kopfhörer auf den Ohren hatte und ein Bier trank.
    Eine Haltestelle vor der Endstation stand Hora auf, Chest folgte ihm. Sie verließen die Bahn und fanden sich im gepflegteren Teil der Stadt wider. Die Randstreifen der Straßen waren hier noch grün, die Bäume sahen noch nach Bäumen aus. Die Luft stank nicht so drastisch nach einer Mischung aus Verwesung, überfüllten Abwasserkanälen und den Ausdünstungen Süchtiger.
    Chest musste unwillkürlich an seine Imagination denken. Ja, hier sah es beinahe noch so aus wie damals, als die Welt noch überwiegend von Lebenden besiedelt gewesen war.
    Sie marschierten durch die Wohnsiedlung, durch schön angelegte Anlagen, die teilweise sogar noch weiße Hauswände besaßen. Irgendwo plätscherte ein Springbrunnen durch die Dunkelheit, vor ihnen rannte eine Katze über den Weg.
    ›SP von links‹, sagte Hora. Sie bogen ab, nahmen einen anderen Weg, um den SP nicht über den Weg zu laufen.
    Sie kannten nicht alle Sicherheitspolizisten, und nicht alle von ihnen waren bestechlich.
    ›Ein neuer Kunde‹, stellte Chest nach ein paar Sekunden fest. Diesen Weg hatten sie noch nie genommen.
    ›Ja. Er kommt von Nummer Sechzig.‹
    Sie gaben ihren Abnehmern Nummern, denn sie merkten sich kaum Namen. Namen waren lediglich Ballast, eine absolut sinnlose Erfindung, welche die Illusion der Charaktere aufrechterhielt. Ziffern hingegen waren objektiv, zumindest, solange man nicht dem Irrtum verfiel, auch hier Eigenschaften anzusetzen.
    Sie erreichten eines jener Häuser, das etwas heruntergekommener war als die schönen weißen. Ein schmaler Pfad führte zum Hauseingang, gesäumt von riesigen, seit Ewigkeiten nicht mehr zurechtgeschnittenen Hecken. Hora trat an die Klingeln, suchte die Schilder ab und klingelte schließlich.
    »Ja?«, tönte es durch die Sprechanlage.
    Chest und Hora sahen sich nur stumm an. Ein paar Sekunden darauf ertönte das Surren und Hora stieß die Tür auf.
    Der neue Kunde wohnte im Erdgeschoss. Er sah gepflegt und wohlhabend aus, fast unmöglich makellos für diese Zeiten.
    Hora und Chest blieben zeitgleich stehen und starrten dem angeblichen Kunden in die Augen. Hora hielt noch immer die Eingangstür mit der Rechten offen. Eine Zehntelsekunde verging. Sie lasen die Wahrheit aus dem Blick ihres Gegenübers. Dann hatte Chest die Schlagringe an den Fäusten. Sie wirbelten herum und liefen los, kamen allerdings nicht weit.
    Der Pfad endete an einer weiteren Hecke – man konnte nur nach links oder rechts ausweichen. Aus beiden Richtungen kamen schwarz vermummte Gestalten bedächtig auf sie zu, in den Händen Maschinenpistolen.
    ›Verfickte Scheiße‹, fluchte Hora in Gedanken, während sie vollkommen still Rücken an Rücken standen, jeder in eine Richtung

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