Die Akte
ein Kleinkind, und wenn er mehr als eine gehabt hätte, dann hätte er es bestimmt erwähnt.
»Der jüngsten. Und Ihrer Frau?«
Underwood war jetzt auf Schlagnähe herangekommen und schob sich noch näher heran. Offensichtlich war er ein Mann, der vor körperlichem Kontakt keine Angst hatte.
»Ich habe keine Frau. Ich bin geschieden.« Er hob die linke Faust, und einen kurzen Moment lang dachte Gray, er wollte zuschlagen. Dann sah er die vier ringlosen Finger. Keine Frau. Kein Ring. Garcia betete seine Frau an, und er würde einen Ring tragen. Es war Zeit zum Gehen.
»Was wollen Sie?« fragte Underwood.
»Ich dachte, Garcia säße in diesem Stockwerk«, sagte er, sich zurückziehend.
»Ist Ihr Freund Garcia Anwalt?«
»Ja.«
Underwood entspannte sich ein wenig. »Nicht in dieser Firma. Wir haben einen Perez und einen Hernandez und vielleicht noch einen weiteren. Aber einen Garcia kenne ich nicht.«
»Nun ja, es ist eine große Firma«, sagte Gray, jetzt an der Tür. Underwood folgte ihm. »Hören Sie, Mr. Grantham, wir sind es nicht gewohnt, dass Reporter hier auftauchen. Ich werde den Sicherheitsdienst anrufen, vielleicht kann er Ihnen weiterhelfen.«
»Das ist nicht nötig. Vielen Dank.« Grantham war auf dem Korridor und verschwunden. Underwood informierte den Sicherheitsdienst.
Im Fahrstuhl verfluchte Grantham sich selbst. Außer ihm war niemand darin, deshalb fluchte er laut. Dann dachte er an Croft und verfluchte ihn, und als der Fahrstuhl hielt und die Tür aufging, stand Croft im Foyer neben den Münzfernsprechern. Ruhig bleiben, befahl er sich.
Sie verließen das Gebäude gemeinsam. »War nichts«, sagte Gray.
»Haben Sie mit ihm gesprochen.«
»Ja. Der falsche Mann.«
»Verdammt. Ich war ganz sicher, dass er es war. Es war der Mann auf den Fotos, oder etwa nicht?«
»Nein. Er sieht ihm nur ziemlich ähnlich. Versuchen Sie es weiter.«
»Ich habe diese Sache ziemlich satt, Grantham. Ich...«
»Sie werden dafür bezahlt. Machen Sie noch eine Woche weiter, okay? Ich kann mir schwerere Arbeit vorstellen.« Croft blieb auf dem Gehsteig stehen, und Gray ging weiter.
»Noch eine Woche, dann ist endgültig Schluss«, rief Croft hinter ihm her. Grantham schwenkte die Hand.
Er schloss den vorschriftsmäßig geparkten Volvo auf und fuhr zurück zur Post. Das war kein kluger Schachzug gewesen. Es war eine ziemliche Dummheit. Ein solcher Fehler hätte ihm nicht unterlaufen dürfen. Er würde den Vorfall bei seinem täglichen Gespräch mit Jackson Feldman und Smith Keen nicht erwähnen.
Feldman wollte ihn sprechen, sagte ein anderer Reporter, und er eilte in sein Büro. Er lächelte die Sekretärin, die im Begriff war, ihn anzufahren, zuckersüß an. Keen und Howard Krauthammer, der Chef vom Dienst, warteten bei Feldman auf ihn. Keen machte die Tür zu und reichte Gray eine Zeitung. »Haben Sie das gesehen?«
Es war die Times-Picayune, die Zeitung von New Orleans, und die Story auf der Titelseite berichtete über den Tod von Verheek und Callahan, mit großen Fotos. Er las sie schnell, während sie ihn beobachteten. Es war von ihrer Freundschaft die Rede und ihrem gewaltsamen Tod in nur sechs Tagen Abstand. Und auch Darby Shaw wurde erwähnt, die verschwunden war. Aber keinerlei Hinweis auf das Dossier.
»Allem Anschein nach ist die Katze aus dem Sack«, sagte Feldman.
»Das sind nur die grundlegenden Tatsachen«, sagte Gray. »Die hätten wir schon vor drei Tagen bringen können.«
»Warum haben wir es nicht getan?« fragte Krauthammer.
»Da steckt nichts dahinter. Es sind zwei Tote, der Name der jungen Frau und tausend Fragen, von denen keine beantwortet wird. Sie haben einen Polizisten gefunden, der bereit war zu reden, aber er weiß nichts außer den blutigen Details.«
»Aber sie recherchieren, Gray« sagte Keen.
»Wollen Sie, dass ich sie daran hindere?«
»Die Times hat die Sache aufgegriffen«, sagte Feldman. »Sie werden mehr bringen, morgen oder Sonntag. Wieviel können sie wissen?«
»Weshalb fragen Sie mich das? Möglich, dass sie eine Kopie des Dossiers haben. Möglich, aber äußerst unwahrscheinlich. Aber sie haben nicht mit der Frau gesprochen. Wir haben die Frau. Sie gehört uns.«
»Das hoffen wir«, sagte Krauthammer.
Feldman rieb sich die Augen und starrte die Decke an. »Nehmen wir an, sie haben eine Kopie des Dossiers und wissen, wer es geschrieben hat, und jetzt ist sie verschwunden. Deshalb können sie es im Moment nicht verifizieren, aber sie scheuen nicht davor
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