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Die Akte

Titel: Die Akte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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überwiesen werden. Es ist ein Schuss ins Blaue, aber es kann durchaus sein, dass wir auf irgend etwas stoßen.«
    »Da stimme ich Ihnen zu«, sagte der Präsident. »Es ist nur ein wenig verfrüht, meinen Sie nicht auch?«
    »Ja. Aber ich möchte trotzdem gleich anfangen.«
    »Nein. Warten Sie bis Montag, dann weise ich Sie Thurow zu.«
    Kline zuckte die Achseln und entschuldigte sich. Zwei seiner Kollegen folgten ihm in Rosenbergs Büro, wo sie im Dunkeln dasaßen und den Rest von seinem Brandy tranken.
    In einer engen Arbeitsnische im fünften Stock der juristischen Bibliothek, zwischen Regalen mit dicken, selten gebrauchten Büchern, studierte Darby Shaw einen Ausdruck der vor dem Obersten Bundesgericht anhängigen Fälle. Sie hatte ihn schon zweimal gelesen, und obwohl viele von ihnen überaus brisant waren, hatte sie nichts gefunden, was sie interessierte. Dumond schlug hohe Wellen. Dann gab es einen Fall von Kinderpornographie aus New Jersey, einen Sodomiefall aus Kentucky, ein Dutzend Einsprüche gegen Todesurteile, ein Dutzend unterschiedlicher Bürgerrechtsfälle und das übliche Quantum an Fällen, bei denen es um Steuern, Bebauungspläne, die Indianer und Kartellsachen ging. Sie hatte Zusammenfassungen sämtlicher Fälle aus dem Computer geholt und alle zweimal gelesen. Sie hatte eine Liste möglicher Verdächtiger aufgestellt, aber auf die würde jedermann stoßen. Die Liste lag bereits im Papierkorb.
    Callahan war sicher, dass es die Arier gewesen waren oder die Nazis oder der Ku Klux Klan; irgendeine leicht identifizierbare Gruppe inländischer Terroristen; irgendwelche Radikale. Es mussten Leute von der äußersten Rechten gewesen sein, das lag doch auf der Hand, fand er. Darby war da nicht so sicher. Die Radikalengruppen waren zu offensichtlich. Sie hatten zu viele Drohungen ausgesprochen, zu viele Steine geworfen, zu viele Paraden veranstaltet, zu viele Reden gehalten. Sie brauchten Rosenberg lebendig, weil er ein so verlockendes Ziel für ihren Hass war. Rosenberg hielt sie beschäftigt. Sie glaubte, dass jemand dahintersteckte, der wesentlich gefährlicher war.
    Callahan saß in einer Bar an der Canal Street, inzwischen betrunken, und wartete auf sie, obwohl sie nicht versprochen hatte, dass sie kommen würde. Sie hatte am Mittag bei ihm hereingeschaut und ihn auf dem Balkon angetroffen, betrunken und in seinem Buch mit Rosenberg-Urteilen lesend. Er hatte sich entschlossen, seinen Kurs über Verfassungsrecht für eine Woche abzusagen; hatte gesagt, dass er jetzt, da sein Held tot war, vielleicht nie mehr würde unterrichten können. Sie hatte ihm gesagt, er sollte zusehen, dass er wieder nüchtern würde, und war gegangen.
    Kurz nach zehn ging sie in den Computerraum im vierten Stock der Bibliothek und setzte sich vor einen Bildschirm. Der Raum war leer. Sie tippte auf der Tastatur herum, fand, was sie wollte, und wenig später spuckte der Drucker Seite um Seite von Berufungen aus, die bei den elf Bundesberufungsgerichten des Landes anhängig waren. Eine Stunde später hörte der Drucker auf, und sie hatte einen fünfzehn Zentimeter dicken Stapel von Zusammenfassungen der Fälle, mit denen es die elf Gerichte zu tun hatten. Sie schleppte sie in ihre Arbeitsnische hinauf und legte sie auf den bereits vollen Schreibtisch. Es war nach elf, und außer ihr hielt sich niemand im fünften Stock auf. Durch ein schmales Fenster hatte man einen wenig anregenden Blick auf den Parkplatz und ein paar Bäume.
    Sie schlüpfte wieder aus den Schuhen und betrachtete den roten Lack auf ihren Zehennägeln. Sie trank eine warme Fresca und starrte leeren Blicks auf den Parkplatz. Die erste Folgerung war einfach - die Morde waren von ein und derselben Gruppe aus ein und demselben Grund begangen worden. Die zweite Folgerung war schwierig - das Motiv war nicht Hass oder Rache, sondern vielmehr Manipulation. Irgendwo gab es einen Fall, der unterwegs war zum Obersten Bundesgericht, und jemand wollte andere Richter. Die dritte Folgerung war ein wenig einfacher - bei dem Fall ging es um eine Menge Geld.
    In den vor ihr liegenden Ausdrucken war die Antwort nicht zu finden. Sie las in ihnen bis Mitternacht und ging erst, als die Bibliothek geschlossen wurde.
8
    A m Donnerstagmittag brachte eine Sekretärin eine große Tüte, mit Fettflecken dekoriert und gefüllt mit Sandwiches und Zwiebelringen, in einen überheizten Konferenzraum im fünften Stock des Hoover Building, in der Mitte des quadratischen Raums saßen leitende

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