Die Akte
Betrunkener nicht widerlich?« sagte Verheek.
»Verdammt widerlich.«
Verheek steckte den Umschlag in die Tasche seines Jacketts, das über der Stuhllehne hing. »Wie sieht ihre Theorie aus?«
»Sie ist ein bisschen ausgefallen. Aber lies die Akte. Schaden kann es auf keinen Fall. Schließlich könnt ihr ein wenig Hilfe brauchen.«
»Ich lese sie nur, weil sie sie geschrieben hat. Wie ist sie im Bett?«
»Wie ist deine Frau im Bett?«
»Reich. Unter der Dusche, in der Küche, beim Einkaufen. Sie ist reich bei allem, was sie tut.«
»Das kann auf die Dauer nicht gut gehen.«
»Sie wird die Scheidung einreichen, bevor das Jahr um ist. Vielleicht bekomme ich das Haus in der Stadt und ein bisschen Kleingeld.«
»Kein Ehevertrag?«
»Doch, es gibt einen, aber vergiss nicht, dass ich Anwalt bin. Er hat mehr Schlupflöcher als ein Steuerreformgesetz. Ein Freund von mir hat ihn aufgesetzt. Ist die Juristerei nicht eine tolle Sache?«
»Reden wir von etwas anderem.«
»Von Frauen?«
»Ich habe eine Idee. Du möchtest sie kennenlernen, stimmt’s?«
»Wir reden von Darby?«
»Ja. Von Darby.«
»Ich möchte sie unbedingt kennenlernen.«
»Wir wollen über Thanksgiving nach St. Thomas. Wie wär’s, wenn du dort zu uns stoßen würdest?«
»Muss ich meine Frau mitbringen?«
»Nein. Sie ist nicht eingeladen.«
»Wird sie in einem von diesen winzigen Bikinis am Strand herumlaufen? Sozusagen eine Show für uns abziehen?«
»Vermutlich.«
»Wow. Ich kann es einfach nicht glauben.«
»Du kannst dir ein Apartment neben unserem mieten, und wir veranstalten eine Party.«
»Wundervoll. Einfach wundervoll.«
13
D as Telefon läutete viermal, der Anrufbeantworter schaltete sich ein, die aufgezeichnete Ansage war zu hören, dann der Pfeifton, anschließend keine Nachricht. Wieder läutete es viermal, der gleiche Ablauf, wieder keine Nachricht. Eine Minute später läutete es abermals, und Gray Grantham griff vom Bett aus nach dem Hörer. Er saß auf einem Kissen und versuchte, zu sich zu kommen.
»Wer ist da?« fragte er mit schmerzendem Kopf. Durchs Fenster fiel kein Licht herein.
Die Stimme am anderen Ende der Leitung war leise und ängstlich. »Spreche ich mit Gray Grantham von der Washington Post?«
»Der bin ich. Wer sind Sie?«
Langsam: »Ich kann Ihnen meinen Namen nicht sagen.«
Der Nebel lichtete sich, und er sah auf die Uhr. Es war halb fünf. »Okay, vergessen wir den Namen. Weshalb rufen Sie an?«
»Ich habe gestern Ihre Story über das Weiße Haus und die Kandidaten gelesen.«
»Das ist gut.« Du und noch eine Million andere Leute. »Weshalb rufen Sie zu dieser unchristlichen Zeit an?«
»Tut mir leid. Ich bin auf dem Weg zur Arbeit und habe bei einer Telefonzelle angehalten. Ich kann weder von zu Hause noch vom Büro aus anrufen.«
Die Stimme war klar und kultiviert und klang intelligent. »Was für einem Büro?«
»Ich bin Anwalt.«
Großartig. In Washington gab es rund eine halb e Million Anwälte. »Privat oder Regierung?«
Ein leichtes Zögern. »Das möchte ich lieber nicht sagen.«
»Okay. Und ich würde lieber schlafen. Weshalb rufen Sie an?«
»Es könnte sein, dass ich etwas über Rosenberg und Jensen weiß.«
Grantham setzte sich auf die Bettkante. »Was wissen Sie?«
Eine erheblich längere Pause. »Nehmen Sie das auf?«
»Nein. Sollte ich?«
»Ich weiß es nicht. Ich habe Angst und bin ziemlich durcheinander, Mr. Grantham. Mir wäre es lieber, wenn Sie es nicht aufnehmen würden. Vielleicht den nächsten Anruf, okay?«
»Ganz wie Sie wünschen. Ich höre zu.«
»Kann festgestellt werden, woher dieser Anruf kommt?«
»Durchaus möglich. Aber Sie rufen von einer Zelle aus an. Weshalb sollte Sie das stören?«
»Ich weiß es nicht. Ich habe einfach Angst.«
»Okay. Ich schwöre Ihnen, dass ich nichts aufnehme, und ich schwöre, dass ich dem Anruf nicht nachforschen werde. Und nun sagen Sie mir, was Sie sagen wollten.«
»Also, ich glaube, ich weiß, wer sie umgebracht hat.«
Grantham war aufgestanden. »Das ist ein ganz schön wertvolles Wissen.«
»Es könnte mich das Leben kosten. Glauben Sie, dass sie mich beschatten?«
»Wer? Wer sollte Sie beschatten?«
»Ich weiß es nicht.« Die Stimme wurde schwächer; sie hörte sich an, als schaute er über die Schulter.
Grantham wanderte neben seinem Bett herum. »Ganz ruhig. Sagen Sie mir, wie Sie heißen. Ich schwöre, es bleibt unter uns.«
»Garcia.«
»Das ist nicht Ihr richtiger Name, nicht wahr?«
»Natürlich
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