Die Akte
seine Limousine zueilte, in der Coal auf ihn wartete. Der Präsident ließ sich in seinen Sitz sinken. »Ich habe nicht damit gerechnet, dass Sie hier sein würden«, sagte er.
»Tut mir leid. Wir müssen reden.« Die Limousine fuhr in Richtung Weißes Haus.
»Es ist spät, und ich bin müde.«
»Wie war der Hurrikan?«
»Beeindruckend. Er hat eine Million Papp- und Wellblechhütten weggefegt, und jetzt werden wir ein paar Milliarden auf den Tisch legen und neue Häuser und Kraftwerke bauen. Die Leute brauchen so ungefähr alle fünf Jahre einen anständigen Hurrikan.«
»Ich habe die Erklärung zum Katastrophengebiet vorbereitet.«
»Okay. Und was ist nun so wichtig?«
Coal reichte ihm eine Kopie dessen, was inzwischen das »Pelikan-Dossier« genannt wurde.
»Ich will es nicht lesen«, sagte der Präsident. »Erzählen Sie mir, um was es geht.«
»Voyles und sein zusammengewürfelter Haufen sind über einen Verdächtigen gestolpert, auf den bisher niemand gekommen war. Ein obskurer, ziemlich ausgefallener Verdächtiger. Eine Jurastudentin in Tulane hat das verdammte Ding geschrieben, und irgendwie ist es zu Voyles gelangt, der es gelesen hat und zu dem Schluss gekommen ist, es könnte etwas daran sein. Vergessen Sie nicht, sie suchen verzweifelt nach Verdächtigen. Die Theorie ist so weit hergeholt, dass sie völlig absurd ist, und die Sache selbst beunruhigt mich nicht. Aber Voyles beunruhigt mich. Er hat beschlossen, sich dahinterzuklemmen, und die Presse verfolgt jeden Schritt, den er tut. Es könnte etwas durchsickern.«
»Wir können seine Untersuchung nicht kontrollieren.«
»Aber wir können sie manipulieren. Gminski wartet im Weißen Haus, und...«
»Gminski!«
»Nicht nervös werden, Chef. Ich habe ihm persönlich vor drei Stunden eine Kopie dieser Akte überreicht und ihn zu strengster Geheimhaltung verpflichtet. Er mag inkompetent sein, aber er kann ein Geheimnis wahren. Ich traue ihm wesentlich mehr als Voyles.«
»Ich traue keinem von beiden.«
Das hörte Coal gern. Er wollte, dass der Präsident niemandem traute außer ihm. »Ich finde, Sie sollten die CIA sofort mit der Untersuchung dieser Sache beauftragen. Ich würde gern alles wissen, bevor Voyles zu wühlen anfängt. Keiner von beiden wird etwas finden, aber wenn wir mehr wissen als Voyles, können Sie ihn überreden, dass er die Finger davon lässt. Das ist nicht mehr als vernünftig, Chef.«
Der Präsident war unsicher. »Es ist eine Inlandsangelegenheit, in der die CIA nicht herumschnüffeln darf. Das wäre wahrscheinlich illegal.«
»Es ist illegal, technisch gesehen. Aber Gminski wird es für Sie tun, und er kann es schne ll tun, insgeheim und wesentlich gründlicher als das FBI.«
»Es ist illegal.«
»Es ist schon oft so gemacht worden, Chef. Viele Male.« Der Präsident beobachtete den Verkehr. Seine Augen waren rot und geschwollen, aber nicht vor Müdigkeit. Er hatte im Flugzeug drei Stunden geschlafen. Aber er hatte den ganzen Tag damit verbracht, für die Kameras traurig und mitfühlend auszusehen, und es war nicht einfach, plötzlich damit aufzuhören.
Er nahm das Dossier und warf es auf den leeren Sitz neben sich. »Ist es jemand, den wir kennen?«
»Ja.«
14
W eil New Orleans eine Stadt der Nacht ist, wacht sie nur langsam auf. Noch eine ganze Weile nach Tagesanbruch herrscht Stille, dann schüttelt sie die Spinnweben ab und gleitet in den Morgen. Es gibt kein frühes Verkehrsgewimmel außer auf den Zufahrtsstraßen aus den Vororten und in der geschäftigen Innenstadt. So ist es in allen großen Städten; aber im French Quarter, der Seele von New Orleans, hängt der Duft von Whisky und Jambalaya über den leeren Straßen, bis die Sonne aufgegangen ist. Ein oder zwei Stunden später tritt an seine Stelle das Aroma von French-Market-Kaffee und Schmalzgebäck, und um diese Zeit erwachen auch die Gehsteige zögernd zum Leben.
Darby machte es sich in einem Sessel auf dem kleinen Balkon bequem, trank Kaffee und wartete auf die Sonne. Callahan lag ein paar Meter entfernt, jenseits der offenen Terrassentür, noch in Laken eingehüllt und tot für die Welt. Eine leichte Brise wehte, aber noch vor Mittag würde die Schwüle zurückkehren. Sie zog seinen Bademantel am Hals zusammen und atmete den Duft seines Rasierwassers ein. Sie dachte an ihren Vater und seine weiten baumwollenen Oberhemden, die sie tragen durfte, als sie ein Teenager war. Sie hatte die Ärmel immer bis zum Ellenbogen aufgekrempelt und den Saum bis auf
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