Die Albenmark: Elfenritter 2 - Roman
Schildträger, die ihn vor vermeintlichen Heckenschützen decken sollten, waren ein weiteres Zeichen dafür, dass der Kerl mehr als nur ein Heiler war. Er strahlte Autorität aus mit seinem mächtigen weißen Bart und dem einen funkelnden Auge. Alle hörten auf ihn, wenn er etwas sagte.
Fingayn hob den Bogen. Er konnte sich nicht erlauben abzuwarten, ob die Königin vielleicht irrte, denn wenn sie recht hatte, dann käme er nicht mehr dazu, einen Schuss abzugeben.
Die Schildträger hatten keine Ahnung, wo er steckte. Sie erledigten ihre Aufgabe nachlässig. Auch waren die Schilde zu klein.
Der Maurawani zog die Sehne bis weit hinter sein linkes Ohr zurück. Dann ließ er den Pfeil davonschnellen. Er traf den Alten in den Kopf.
Fingayn wartete noch einen Augenblick, um ganz sicher zu sein, dass der Kerl tot war. Dann wechselte er seine Position. Einige der Ritter deuteten zum Turm hinauf. Sie riefen nach Arkebusenschützen … Zu spät.
Der Elf lief die Treppe des großen Turms hinab, bis er an eine Schießscharte gelangte, die auf den vorderen Burghof blickte.
Tiranu hatte seine schwarz gewappneten Schnitter im Hof antreten lassen, stählerne Felsen inmitten der Menschenflut. Sie kämpften gut. Von hier oben sah es fast aus wie ein Spiel. Wie Tänzer bewegten sich die Schnitter. Keine Klinge schien ihnen etwas anhaben zu können. Aber es war nur eine Frage der Zeit, bis der erste von ihnen fiel.
Große, schwarze Schatten glitten dicht über den Burghof hinweg. Die Adler! Fingayn sah, wie die ersten von ihnen auf dem hinteren Hof landeten. Warum waren sie so schnell wieder zurück?
Und noch etwas sah er. Im See waren Schwimmer. Sie hielten auf die kleinen Schiffe zu, die am Landungssteg vor dem Seetor vertäut lagen. Der Maurawani fluchte. Die letzten Verteidiger hätten sich mit einem der Schiffe zur Mitte des Sees hin absetzen sollen, um dort von den Adlern geholt zu werden. So hatte Tiranus Plan ausgesehen. Doch daraus würde nun nichts mehr. Der zweite Burghof durfte nicht verloren gehen! Das war der letzte Platz, wo die Adler landen konnten, ohne von den Arkebusenschützen unter Feuer genommen zu werden.
Fingayn betrachtete die wimmelnde Menschenmenge auf dem vorderen Hof. Die Schnitter wurden bereits zurückgedrängt.
Und dann sah er den weiß gewandeten Mann. Ein Einarmiger ! Er beugte sich über eine Frau in einem weiß-roten
Kleid. War das noch so ein Heiler? Er hob den Körper der Frau an und presste ihn fest gegen seine Brust. War das Trauer? Oder war es das Ritual, das alle Elfen auf dem Hof sterben lassen würde?
Er zog einen Pfeil aus seinem Köcher. Legte an …
Das Geschoss durchschlug den Leib der Toten und drang dem Ritter in die Brust. Er stürzte nach vorn. Wie ein Liebender lag er auf der Frau mit dem weiß-roten Kleid. Er hob den Arm …
Fingayn schluckte. Der Kerl strich der Frau eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Eine solche Geste hätte er von einem Menschen niemals erwartet. Hatte er die Frau wirklich geliebt? Der Maurawani zog noch einen Pfeil aus dem Köcher. Er hatte schlecht getroffen. Er würde den Todeskampf des Ritters beenden.
GETRENNT
Die Ordensburg glitt unter ihr hinweg. Der Adler stieg steil in den Himmel hinauf. Aller Schlachtenlärm verebbte. Nur das Rauschen des Windes war noch zu hören. Gishild starrte in die Tiefe. Ihre Hände hatten sich fest in das Gurtzeug gekrallt. Ihr war übel. Die Elfen würden unterliegen. Ganz deutlich sah sie nun, wie groß die Übermacht der Ordensritter und ihrer Truppen war.
Der Prinzessin standen Tränen in den Augen. So hatte sie das nicht gewollt. In Hunderten Nächten hatte sie sich ihre
Rettung aus Valloncour ausgemalt. An manchen Tagen hatte sie sich gewünscht, dass Drustan oder Leon dabei sterben würden. Aber so etwas! Ein solches Massaker hatte sie nie für möglich gehalten.
Der Adler schwenkte nach Osten ab und hielt auf die Berge zu. Gemeinsam mit den anderen Raubvögeln flog er in einem großen Keil. Betroffen bemerkte Gishild, dass fast alle Elfen, die ausgeflogen wurden, verwundet waren. Mit bleichen Gesichtern hingen sie in den Ledergurten. Ihre Wunden waren nur notdürftig versorgt.
Und dann verschwand einer. Von einem Augenblick zum anderen war er einfach nicht mehr da. Einen Lidschlag lang sah sie silbriges Licht. Dann war er fort. Der Adler stieg auf, schwenkte aus der Formation heraus und flog zurück zur Burg.
Plötzlich brach auch ihr Adler aus. Er stieß einen langen, schrillen Schrei aus und hielt
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