Die Albenmark: Elfenritter 2 - Roman
den Tunnel. Sie ahnte, dass dort irgendeine Falle lauerte. Ganz gewiss hatten die Elfen etwas ausgeheckt … Die Ritterin wusste, dass es oben in der Decke des Torgewölbes Mordlöcher gab. Sie hatte den Gefährten, die mit ihr vorstürmen würden, den Befehl gegeben, sich dicht bei den Mauern zu halten. Die Elfen konnten unmöglich kochendes Pech bereitgestellt haben. Die Zeit hatte nicht dazu gereicht.
Der Pulverdampf der Arkebusen brannte Lilianne in den Augen. Die Luft schmeckte nach Schwefel. Ein widerlicher Film bedeckte ihre Zunge. Sie wünschte, sie hätte eine Feldflasche dabei, um sich den Mund auszuspülen.
Kurz blickte sie zu den Gefährten, die hinter ihr dicht an die Burgmauer gedrängt standen. Es waren allesamt Freiwillige, Ritter und Novizen aus dem Abschlussjahrgang. Sie wollte im Tunnel keine einfachen Soldaten haben. Nur Krieger, von denen sie wusste, dass ihr Gottvertrauen und ihr Mut durch fast nichts zu erschüttern waren.
Ihre Ritter hielten drei kleine Fässchen bereit. Das müsste genügen, um das Fallgitter und das Tor auf der anderen Seite zu zerstören. Wenn sie nur wüsste, welche Falle sie in dem Tunnel erwartete! Was hatten die verfluchten Anderen für sie vorbereitet? Sie war kein Feigling. Sie wollte nur sehen, wogegen sie ankämpfen musste.
Lilianne blickte auf das dichte Gedränge der Männer vor
dem Tor. Hunderte Soldaten und Ritter waren es. Sie brannten darauf, den Burghof zu stürmen und es den Elfen heimzuzahlen.
Michelle kämpfte sich durch die Mauer aus Leibern zu ihr durch. »Gleich gibt das Gitter nach.« In ihrem Blick lag eine unausgesprochene Frage.
»Nein! Du darfst nicht dort hinein. Ich gehe zuerst …« Lilianne zögerte. »Und wenn wir einen zweiten Ansturm brauchen, um das hintere Gitter zu zerstören, dann wirst du ihn führen.«
Michelle legte ihr die behandschuhte Hand auf die Schulter. »Pass auf dich auf!«
Lilianne bemühte sich zu lächeln. »Du weißt doch, dass ich immer Glück habe. Ich …« Ein helles, metallisches Kreischen erklang. Die Gitterstäbe hatten nachgegeben. Sie waren durch die Wucht der Stöße auseinandergebogen. Etliche der schweren eisernen Nieten, die die Kreuzverstrebungen hielten, waren abgesprungen.
Der Rammbock wurde zurückgezogen. Es war eine Öffnung entstanden, die groß genug war, um einen geduckt gehenden Krieger hindurchzulassen.
Lilianne winkte ihre Freiwilligen herbei. Dann klopfte sie Michelle auf die Schulter. »Du weißt ja, ich habe immer Glück.«
Die ehemalige Komturin duckte sich durch das Loch in den Tortunnel. Sie zog ihr Rapier. Ganz am Ende des Tunnels bewegte sich wieder etwas. Vorsichtig tastete sich Lilianne vorwärts. Der gepflasterte Boden war rutschig. Die Luft war auch hier von beißendem Pulvergestank erfüllt. Aber da war noch ein anderer Geruch. Ganz sacht, kaum wahrnehmbar …
Lilianne drängte sich dicht an die linke Wand. Bloß nicht
den Mordlöchern zu nahe kommen! Gewiss wurde sie beobachtet.
Ein leises Plätschern erklang. Wasser wurde ausgegossen! Wieder war da ein quiekendes Geräusch … Schweine?
Die Ritterin blickte zurück. Ihre Freiwilligen waren jetzt alle durch das Gitter geklettert. Auch sie hielten sich dicht an den Wänden.
Plötzlich fiel Licht aus einem der Mordlöcher! Eine Fackel. Lilianne sah die nass glänzenden Tiere. Und sie begriff, was es mit dem seltsam vertrauten Geruch auf sich gehabt hatte. Lampenöl!
»Zurück!«, schrie sie, doch ihre Stimme ging im Fauchen der Flammen unter, als weitere Fackeln aus den Mordlöchern stürzten.
Die Ritterin ließ ihr Rapier fallen und rannte. Es waren nur ein paar Schritt, doch durch den engen Durchlass konnte immer nur einer hinaus! In Panik drängten ihre Ritter sich dort und behinderten einander so, dass niemandem die Flucht gelingen konnte.
Schrilles Quieken übertönte den Lärm der Flammen. Die Schweine! Die Tiere hatten Feuer gefangen. Ihre dicke Schwarte nährte die Flammen. Zischendes Fett troff von ihren Flanken hinab.
Lilianne riss sich den brennenden Umhang ab und schlug damit auf das Feuer ein. Ihre Hände und ihr Gesicht schmerzten. Die Haut spannte sich straff.
Eines der Schweine, ein riesiger Eber, sprang mitten in das Knäuel aus Rittern. Blut spritzte, als er sich mit seinen Hauern einen Weg durch die Menschen zu bahnen versuchte.
»Hebt das verfluchte Gitter an!«, drang Michelles Stimme durch das Chaos aus Schreien.
Einer der Ritter schlug kreischend auf seine brennenden
Haare ein. Dutzende
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