Die Albenmark: Elfenritter 2 - Roman
überwundene Versuchung. Ein Zeichen für einen Glauben, der stärker ist als Stein.«
Luc fühlte sich, als sei ihm ein Felsen vom Herzen genommen. Jetzt endlich hatte er die letzten Reste seines versteckten Heidentums überwunden. Er war im Reinen mit sich und Tjured. Seine Verfehlungen waren gesühnt. Nun hatte er sich die goldenen Sporen wirklich verdient. Und als wolle Gott ihnen allen ein Zeichen senden, zerrissen die bleifarbenen Wolken, und Speere aus goldenem Himmelslicht ließen den Marmor der Ruinen aufleuchten.
Priester wie Handwerker knieten nieder, ergriffen von der göttlichen Erhabenheit dieses Augenblicks.
»Gott heißt euch an diesem Ort willkommen, meine Brüder! «, rief Luc ihnen entgegen. »Macht eure Herzen weit und singet ein Loblied dem Herrn!«
GOTTES RITTER
… und Tjureds Wege sind unergründlich. Er offenbarte uns die Schwachen in unseren Reihen, als die Verräterin Gishild sich den Thron nahm. Jene, denen angst und bange wurde, weil Gishild die Dämonenheere Albenmarks dorthin führte, wo wir uns sicher wähnten. Und jene, deren Schwäche Hoffart war, die glaubten, unsere Feinde seien leicht zu überwinden.
Es war eine Zeit, in der manche der gesegneten Heptarchen und der Erzverweser und Komture dachten, der Krieg könne endlich beendet werden. Doch Gott zeigte uns, dass es niemals Frieden geben würde, solange den Heerscharen der Finsternis nicht endgültig Einhalt geboten ward. Es war eine Aufgabe, die alle Kräfte der Kirche erforderte. Eine Aufgabe, die zu groß für Menschen erschien. Zwei Namen werden für immer mit diesen Jahren verbunden sein. Erilgar und Honoré, zwei Ritter Gottes, wie sie ungleicher nicht sein konnten. Sie kamen vom Aschen- und vom Blutbaum. Sie hassten einander fast so sehr, wie sie die gottlose Dämonenbrut hassten. Einer von ihnen fehlte, und einer ward wahrhaft von Gott geleitet. Es bedurfte beider, um zu triumphieren. Sie lehrten uns, dass der Sieg auf dem Schlachtfeld kein Sieg Gottes sein musste. Der eine öffnete dem anderen den Weg. Doch Hand in Hand gingen sie nie.
Es war eine Zeit, in der die Heiden Hoffnung schöpften, auch wenn sie im Streit mit ihrer Königin lagen. Tjured aber ließ ihre Hoffnung keine Früchte treiben. Gishilds Schoß war wie die Ackerfurchen auf einem ungewässerten Feld. Kein Schössling wollte dort gedeihen. Und so blieb Gottes Rittern die Zeit, sich vorzubereiten. Und es versammelten sich die vom Blute auf der Insel der Raben, während die von der Asche darauf sannen, das Fjordland selbst anzugreifen …
DIE HEILIGE SCHRIFT DES TJURED,
BUCH 97 DER SCHOFFENBURG-AUSGABE,
BD. 45, FOL. 117R
DER RABENTURM
Luc trat auf den gemauerten Kai und sah sich ungläubig um. Gishild hatte ihm oft vom Rabenturm erzählt. Von ihrer Flucht, vom langen, einsamen Winter, den sie hier verbracht hatte, doch dieser Ort wollte einfach nicht zu ihren Erzählungen passen.
Er schwirrte vor Leben. Über hundert Schiffe lagen an den Kais und weiter draußen auf See. Hohe Festungswälle erhoben sich über das Wasser. Lagerhäuser aus rotem Ziegelstein flankierten die Hafenanlagen. Überall wurde gebaut. Es roch nach Teer und Mörtel. Am Ufer hatte Luc Soldaten exerzieren sehen, Hunderte Krieger in bunten Röcken. Und überall waren die Ritter vom Blutbaum.
Raben kreisten über dem Hafen und der See, als wachten sie über den Himmel. Keine einzige Möwe gab es hier.
Überall im Hafen waren Barkassen unterwegs. Ganz offensichtlich wurde die Flotte zum Auslaufen klargemacht. Es gab kaum ein Schiff, neben dem keine Boote lagen. Nicht weit entfernt wurden quiekende Schweine in einem Frachtnetz an Bord einer Galeasse gehievt.
Luc ging ein Stück den Kai entlang. Endlose Kolonnen von Schauerleuten schafften aus den Lagerhäusern Fässer, Kisten und Säcke zu den wartenden Booten. Bootsmaate diskutierten aufgeregt mit den Zeugmeistern der Waffenarsenale. Abteilungen von Soldaten kauerten auf Seekisten, würfelten, rauchten oder starrten einfach nur vor sich hin und warteten darauf, eingeschifft zu werden.
So groß das Durcheinander im Hafen war, schien doch jeder hier ein Ziel zu haben. Nur Luc fühlte sich fehl am Platz.
Honoré hatte ihm befohlen, zum Rabenturm zu kommen, doch was sollte er hier?
»Luc?«
Ein Kind rief ihn! Er sah sich um. René. Sein Löwenbruder wies einen Trupp Arkebusiere an, ein Boot zu besteigen. Dann eilte er Luc entgegen.
»Luc!« Er schloss ihn in die Arme, drückte ihn an sich. »Luc. Gut dich zu sehen,
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