Die Albenmark: Elfenritter 2 - Roman
Das hölzerne Podest neben der Statue der Weißen Frau war von seinen Zimmerleuten vollendet worden, während er in Lanzac gewesen war. Luc war zufrieden!
Die Weiße Frau, das war die große Lüge seiner Kindheit gewesen. Wenn er daran dachte, wie seine Mutter hatte sterben müssen und was für Vorwürfe er sich gemacht hatte, packte ihn kalte Wut. So dumm war er damals gewesen, so verblendet vom Aberglauben. Niemals brachten die Anderen irgendetwas, das den Menschen von Nutzen war. Unglück zu stiften war ihr einziges Verlangen. In Valloncour hatten sie ihr wahres Gesicht gezeigt! Hunderte hatten sterben müssen, nur um Gishild zu holen. Aber er würde die Tyrannei von Emerelle brechen, schwor sich Luc. Oder bei dem Versuch sterben.
Luc sah der Statue ins Antlitz. Kein Moos zeigte sich auf
dem Marmor, es gab auch keinen Vogelkot. Die Tiere mieden die Weiße Frau. Sie waren klüger als die Menschen!
Der Garten war jetzt nach drei Tagen harter Arbeit bereit zur Grundsteinlegung. Sie hatten den Tunnel, der zur verborgenen Quelle führte, aufgebrochen. Sie lag nun nicht länger im Dunkel, sondern im hellen Tageslicht. Sie würde Teil der Krypta des Tempelturms im Refugium werden. Der Fels um die Quelle sollte das Fundament des Tempels sein. Heute war der Tag, an dem der erste Stein für das neue Haus Gottes gesetzt werden sollte.
Luc sah aus den Augenwinkeln, wie sich die Arbeiter und Priester im verwüsteten Garten versammelten. Er wusste, dass manche der romantischer Veranlagten unter ihnen diesen Ort gemocht hatten. Sie hießen nicht gut, was er getan hatte. Sie wussten ja nicht, worauf sie sich einließen!
Bei jedem Atemzug spürte Luc die heidnische Macht dieses Ortes. Und obwohl sie den Tunnel aufgebrochen hatten, war die magische Schwelle geblieben, die er schon als Kind gespürt hatte. Niemand außer ihm konnte sie wahrnehmen! Es musste wohl seine Gabe sein, die ihm das feine Gespür für die Magie der Anderen verlieh.
Luc lächelte verdrossen. Er hatte Bruder Marco, dem Baumeister unter den Priestern, von der magischen Schwelle bei der Quelle erzählt. Marco gehörte zu denen, die es nicht gutgeheißen hatten, solche Zerstörungen anzurichten. Und obwohl er ein einfühlsamer junger Mann war, hatte er Luc nicht glauben mögen. Vermutlich hielt der Baumeister ihn für einen verblendeten Fanatiker. Vielleicht gehörte es zur Magie dieses Ortes, dass er die Wirklichkeit nicht erkennen konnte? So war es ihm schließlich auch einmal ergangen. Er hatte geglaubt, die Weiße Frau habe Michelle gerettet, ihre Heilung von der Pest sei eine Gnade der heidnischen
Göttin gewesen. Welch eine Ironie! Er hatte damals nichts von seiner eigenen Gabe gewusst. Allein ihr hatte Michelle ihre Genesung zu verdanken. Und die Gabe war einzig ein Geschenk Tjureds! In seiner Unwissenheit hatte er damals die Wahrheit auf den Kopf gestellt. Dass er der Weißen Frau dann auch noch die Pistolen geschenkt hatte, musste Tjured wie Hohn empfunden haben!
Luc seufzte. Er konnte die Fehler der Vergangenheit nicht mehr ungeschehen machen. Aber er konnte Tjured beweisen, dass er nicht länger ein Verblendeter war. Dieser Ort sollte niemanden mehr zur Ketzerei verführen!
Der junge Ritter stieg auf das Holzgerüst neben der Statue. Er griff nach dem schweren Hammer, den er am Vortag benutzt hatte.
»Gott will es!«, rief er voller Inbrunst und schwang den Hammer. Er traf mitten ins Gesicht der heidnischen Göttin. Die edel geschwungene Nase und die lächelnden Lippen zersplitterten. Der Kopf der Statue wurde von der Wucht des Hiebes vom Rumpf gerissen.
Atemlose Stille herrschte. Luc sah, dass einem der Priester Tränen in den Augen standen.
Der Ritter stieg vom Gerüst herab und hob den Marmorkopf auf. Die weißen Augen sahen ihn durchdringend an. Das Gesicht war verwüstet. Ein einziges Mal hatte Luc Liliannes Antlitz gesehen. Die Ritterin hatte ihre Brandwunden überlebt, aber eine Gnade Gottes war das nicht gewesen. Ihr Gesicht sah jetzt ganz ähnlich aus wie das der Statue.
Luc hielt den geschändeten Kopf hoch, sodass ihn alle Priester und Handwerker gut sehen konnten. »Lasst euch nicht verlocken, wenn die Ketzerei sich hinter der Maske der Schönheit verbirgt! Dieser Ort hier hatte nur einen einzigen Zweck. Er sollte den Glauben der Frommen erschüttern.
« Er schritt in Richtung der Quelle und legte dort den Kopf auf den geglätteten Fels. »Mit diesem Stein wollen wir den Tempel begründen. Er ist ein Zeichen für die
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