Die Albenmark: Elfenritter 2 - Roman
das nicht ärmer gemacht.«
Eisiges Schweigen senkte sich über die Gruppe der Novizen. Raffaels Wetten hatten sie zur unbeliebtesten Lanze in Valloncour gemacht. Sie wussten nur zu genau, dass sie vor allem deshalb auf die Galeere geschickt worden waren.
Und Gishild ahnte, dass die langen Wochen ihrer Abwesenheit wohl kaum genügt haben würden, um die Gemüter wieder zu beruhigen. Sie konnten froh sein, wenn der Spottname »Silberlöwen« das Einzige war, was davon blieb. Doch all das würde sie gern bis ans Ende ihrer Tage ertragen, wenn dafür die Reiter nicht wären, die auf Luc warteten. Sie würde sich anspucken, prügeln und verspotten lassen. Eigentlich war doch alles ihre Schuld. Er nannte sie seinen Nordstern, aber in Wahrheit war sie sein Unstern. Sie brachte ihm nichts als Unglück! Ihretwegen war er verprügelt worden. Ihretwegen hatte man ihn mit dem Adlerbussard erwischt. Allein wäre er niemals dort hingegangen. Und sie hatte auch den Verdacht, dass er sich vor allem ihretwegen so sehr angestrengt hatte, einen Sieg im Buhurt zu erlangen. Ganz gleich, wie: Zweifellos wäre er ohne sie besser dran.
Die Ruder wurden eingezogen. Das große Schiff schrammte an den dicken Taurollen entlang, mit denen die Pfähle des Landungsstegs umwickelt waren. Die Ebbe hatte schon vor mehr als zwei Stunden eingesetzt. Das Hauptdeck der Galeasse lag erheblich tiefer als der Steg. Blumengebinde wurden zu ihnen herabgeworfen. Nie hatte Gishild solch einen Empfang erlebt.
Die Gespräche der übrigen Novizen waren verstummt. Sie lächelten erschöpft und glücklich, aller Schrecken fiel von ihnen ab. Nur Luc saß mit zusammengesunkenen Schultern da. Stumm. Einsam.
Laufplanken wurden an Deck herabgelassen. Unter den Ruderern entstand Unruhe. Sie drängten auf das Hauptdeck. Kinder am Kai riefen Vätern zu. Frauen suchten mit ängstlichem Blick nach ihren Männern im Gewimmel an Bord.
Luc war sitzen geblieben.
Gishild stand auf und legte ihm die Hände auf die Schultern. »Ich bin bei dir, mein Ritter. Was immer geschieht.«
Er wandte sich zu ihr um und lächelte gequält. »Danke. Aber du wirst mir nicht helfen können. Ich muss … Ich wusste, dass sie auf mich warten. Ich …«
»Ich hätte dich nicht anstiften sollen!«
Er sah sie fragend an.
»Der Adlerbussard. Winterauge. Wir hätten nicht …«
Er griff nach ihren Händen. »Nein, das ist es nicht. Es gibt da etwas anderes. Dem muss ich mich stellen.«
»Was?«
»Das kann ich dir jetzt nicht sagen. Es ist … zu schwer.«
Gishild seufzte. Sie kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass es vergebens wäre, weiter in ihn dringen zu wollen. Sie blickte hoch zum Kai, sah all die fröhlichen Menschen und hätte sie am liebsten davongejagt. Der Ruderer mit den tätowierten Armen, der Luc aus der brennenden Geschützkammer geholt hatte, hielt nun in jedem Arm ein kleines Mädchen, während ein Junge von vielleicht fünf Jahren auf seinen Schultern saß und ausgelassen winkte. Die zierliche Frau, die ihn umarmte und mit geschlossenen Augen ihr Gesicht gegen seine Brust drückte, hätte im Vergleich zu dem grobschlächtigen Seemann kaum verschiedener sein können.
Doch selbst von Ferne spürte man die innige Vertrautheit zwischen den beiden, so stark, dass Gishild sich wünschte, sie sähe auch so glücklich aus, wenn sie Luc umarmte.
Schwere Schritte ließen sie herumfahren. Lilianne stand über ihnen auf dem Hauptdeck. »Wir müssen gehen, Luc. Es ist besser, wenn sie dich nicht holen kommen. So erregst du weniger Aufsehen. Ich denke, das ist in deinem Sinne.«
Der Junge erhob sich ein wenig steif, den Kopf gesenkt. Er konnte Lilianne nicht ins Gesicht sehen. Aber er wirkte gefasst.
»Es ist meine Schuld!«, sagte Gishild. »Ich sollte bestraft werden.«
Die Ritterin sah sie überrascht an. »Es geht nicht um den Vogel. Nicht alles dreht sich um dich, Gishild. Lass ihn gehen! Mach es ihm nicht so schwer!«
Die Worte trafen sie völlig unvorbereitet. Sie verstand nicht …
»Komm, Luc«, sagte Lilianne schorff, um ihre eigenen Gefühle zu verbergen.
Luc stand auf. Er wollte schon hinaufsteigen zum Hauptdeck, als er es sich noch einmal anders überlegte und Gishild hastig in den Arm nahm. »Nimm das Rapier meines Vaters. Ich möchte es so. Ich weiß, bei dir wird es in guten Händen sein.«
»Komm, Luc!«, drängte Lilianne. »Sonst kommen sie, um dich zu holen, und alle werden es sehen.«
Er löste sich von ihr, ohne Kuss, ohne ein Wort der Liebe. Er stieg
Weitere Kostenlose Bücher