Die Albenmark: Elfenritter 2 - Roman
das wert? Ich habe einen Verdacht, und ich rate dir, belüge mich nicht!«
Gishild sah den Primarchen schweigend an. Sie konnte es nicht sagen. Sie durfte Luc nicht in noch größere Schwierigkeiten bringen. Zugleich war sie sich sicher, dass Leon es wirklich merken würde, wenn sie versuchte, ihn zu belügen. Also schwieg sie. Sie senkte den Blick. An all die möglichen Unglücke hatte sie nicht gedacht. Allein an Luc …
»Du hast es für Luc getan. Weißt du überhaupt, wer er ist?
Bist du dir sicher, dass er all diese Opfer wert ist? Vielleicht hast du all das für einen Toten gewagt?«
Sie sah erschrocken auf. »Er ist nicht …«
»Nein? Wie kannst du dir da so sicher sein? Weißt du überhaupt, wessen er angeklagt ist?«
Gishild versuchte verzweifelt im Gesicht des Primarchen zu lesen. Doch seine Züge blieben undeutbar. Kalt wie der Wintergott.
»Ich weiß, dass er nichts Böses getan hat. Er will mit aller Kraft ein Ritter sein. Er würde alles tun dafür. Ich kann mir nicht vorstellen, wofür er den Tod verdient haben sollte. Kein Gericht, das nach Wahrheit sucht, würde ihn verurteilen. «
»So gut kennst du ihn also. Ist es die Liebe, die dir diese Gewissheit gibt? Hat er dir heilige Eide geschworen? All das ist nichts wert, Mädchen. In jedem von uns schlummert der Verrat. Es ist nur eine Frage des Preises.«
»Was ist mit ihm?« Sie war jetzt den Tränen nahe. Diese Ungewissheit hielt sie nicht mehr länger aus.
»Noch lebt er. Du hast mit deinem Feuer tatsächlich erreicht, dass seine Hinrichtung verschoben wurde. Sie wird morgen früh sein. Und deine Strafe wird es sein, dabei zuzusehen! «
Die Beine versagten ihr den Dienst. Sie stützte sich mit beiden Händen auf das Fenstersims und stürzte dennoch. Sie hatte keine Kraft mehr. Alles könnte sie erdulden, aber nicht das. »Ich werde mir etwas antun, wenn Luc stirbt.«
Leon lachte auf. Es war ein scharfer, liebloser Laut, der in ihr Herz schnitt wie ein Messerstich. »Glaubst du, das erschreckt mich? Es wäre nur gut für die Ordensschule, wenn du nicht mehr hier wärst.«
Gishild hatte sich in der Zeit, die sie gewartet hatte, viele
Gedanken über das gemacht, was kommen mochte. Und sie wusste genau, dass Leon niemals auf sie verzichten würde. Er konnte sie verprügeln und einsperren. Aber ihr Leben war kostbar. Es wäre niemals in Gefahr. Unter keinen Umständen! »Du wirst mir nichts tun!« Sie war zornig darüber, dass er sie offenbar für ein einfältiges Kind hielt. Und der Zorn gab ihr neue Kraft.
»Was macht dich da so sicher, Kind? Brandstiftung ist ein schweres Verbrechen. Ich weiß auch, dass du jeden Tag an Flucht denkst. Und dass du darauf hoffst, deine Elfenfreunde würden dich holen kommen. Ich kann mir nicht leisten, dass du fortläufst. Dein Tod ist da eher vorstellbar.«
Er würde ihr keine Angst machen! Mit solchen Drohungen hatte sie gerechnet. »Es sind fast hundert Ritter in den Kämpfen nach meiner Entführung gestorben, habe ich gehört. So viele, wie in einem ganzen Jahrgang nachwachsen. Es war ein schrecklicher Preis für den Orden. Sie alle hätten ihr Leben umsonst gegeben, wenn du mich hinrichten lässt.«
Leon hob die Augenklappe und rieb sich über das wunde Lid. »Manchmal macht man schreckliche Fehler. Das gehört zu den Bürden der Macht. Den Toten kann ich nicht mehr helfen. Aber sei dir sicher, wenn ich zu der Auffassung gelange, es sei besser für den Orden, dass du stirbst, dann werde ich nicht zögern.«
Sie verachtete ihn für diese plumpe Drohung. Er hielt sie wohl für ein dummes Kind, dem man alles erzählen konnte! »Nur wenn ich lebe, könnt ihr meine Eltern erpressen. Ich weiß nicht, was ihr wollt, aber eines weiß ich ganz sicher: Tot bin ich nichts mehr wert!«
»Weißt du, kleine Prinzessin, ich denke, es ist an der Zeit, dass du eine Geschichte erfährst. Du erinnerst dich an das
Mädchen, das an deiner Stelle in das Zimmer in Paulsburg gebracht wurde? Lilianne hatte sich große Mühe gegeben, jemanden auszusuchen, der dir sehr ähnlich sieht. Der Erzverweser hat sie nach Aniscans verschleppt. Irgendwann auf seiner Reise wird er bemerkt haben, dass sie nicht die richtige war. Eine Küchenmagd wird es wohl schwer haben, auf Dauer vorzutäuschen, eine Prinzessin zu sein. Selbst wenn sie nur eine selbstgefällige kleine Heidenprinzessin spielen muss. Als dein, wie Lilianne es nannte, so hochgeschätzter Erzverweser Charles seinen Irrtum bemerkte, war ihm sofort klar, was er tun
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