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Die Albenmark: Elfenritter 2 - Roman

Die Albenmark: Elfenritter 2 - Roman

Titel: Die Albenmark: Elfenritter 2 - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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musste diesen Weg noch gehen. Ihr Eid galt erst zum Morgengrauen! Sie tat es, weil sie hier bleiben wollte. Weil sie Luc beschützen musste. Weil ihr Eid sie zwang, eine Ritterin zu sein.
    Gishild zwängte sich durch das Gitter. Sie schrammte sich die Wangen an den rostigen Stäben auf. Dann verdrehte sie sich, um ihre Schultern hindurchzuzwängen. Sie atmete aus. Ja. Sie war hindurch. Auf dem Außensims kauernd, knotete sie das Betttuch fest. Mit klopfendem Herzen spähte sie zum Wall hinüber. Keine Wache! Sollte sie tatsächlich einmal Glück haben?
    Hand über Hand ließ sich Gishild an dem verknoteten Betttuch hinab. Jeden Augenblick rechnete sie mit einem Alarmruf, aber alles blieb still. Wurde sie beobachtet? Silwyna hätte das spüren können. Aber die Elfe hatte es ihr nicht beizubringen vermocht.
    Das Wasser war unangenehm kühl. Bäche, die hoch aus den Bergen kamen, speisten den großen See im Tal. Die Prinzessin biss die Zähne zusammen. Sie stand bis über dem Kinn im Wasser. Völlig reglos … Nichts geschah. Langsam, mit vor Kälte tauben Gliedern, schwamm sie zum Ufer.
    Im Schatten eines Mauervorsprungs kauerte sie sich nieder und massierte sich Arme und Beine, bis die Wärme in ihre Glieder zurückkehrte. Dann suchte sie nach dem Fenster. Sie wusste, es war in diesem Flügel der Burg. Sie hatte
Luc genau ausgehorcht und war mehrmals um die Burg gestrichen, um sich eine Vorstellung davon machen zu können, wo sie finden würde, was sie suchte.
    Bei den Plänen, die sie sich für ihren Einbruch zurechtgelegt hatte, war sie nie davon ausgegangen, dass sie ohne eine Waffe unterwegs sein könnte. Noch einmal müsste ihr die Gürtelschnalle helfen. Es gab keinen anderen Weg. Ob sie schmal genug war? Und lang genug?
    Gishild kletterte das grobe, unverputzte Mauerwerk empor. Die Natursteine boten genug Griffe. Fast alle Fensterläden in diesem Flügel der Burg waren geöffnet und mit eisernen Haken gesichert. Vorsichtig, Zoll um Zoll, zog sich die Prinzessin auf das Sims. Sie griff in trockenen Vogelkot.
    Sie roch an den eingetrockneten Exkrementen. Das war nicht von Tauben! Sie war am Ziel! Mit angehaltenem Atem spähte sie durch die Butzenscheiben. Natürlich konnte sie in der dunklen Kammer nichts erkennen. Aber sie sollte verlassen sein! Sie wusste, dass Lilianne eingeladen worden war, die Novizen des ältesten Jahrgangs durch ihre letzte Nacht zu geleiten. Jeder Novize hatte für sich einen einsamen Ort gesucht, um dort im Gebet mit Tjured die letzten Stunden als Schüler zu verbringen. Morgen würden sie die goldenen Sporen erhalten und Ritter sein. Und jeder von ihnen durfte sich ein eigenes Wappen erwählen.
    Einige auserwählte Magister begleiteten die Novizen durch die Nacht und wanderten von einem zum anderen. Sie suchten Gespräche oder schwiegen mit ihnen, ganz wie es der Wunsch der Schüler war.
    Gishild nahm die Gürtelschnalle und drückte sie in den schmalen Spalt zwischen den beiden Fensterflügeln. Das Holz knirschte. Die Schnalle würde tiefe Schrammen hinterlassen.

    Endlich spürte sie den Widerstand des hölzernen Sperrriegels. Vorsichtig brachte sie die Gürtelschnalle unter den Riegel und hebelte ihn hoch.
    Sie lauschte. Was, wenn Lilianne doch in ihrer Kammer war? Vielleicht hatte sie sich unwohl gefühlt? Nein, sie würde immer gehen, so lange sie Füße hatte, die sie trugen.
    Gishild glitt leise in das Zimmer und versperrte das Fenster. Es roch nach Fleisch und eingetrocknetem Blut. Eine einzelne, große Fliege flog summend umher, verborgen in der Dunkelheit. Der Geruch von Federn und eingetrocknetem Vogelkot vermengte sich mit dem Duft alter Bücher in Ledereinbänden.
    Gishild stand still. Sie lauschte. Atmete das Zimmer. Aus ihren nassen Kleidern tröpfelte Wasser auf den Boden. Und dann hörte sie das Rascheln. »Winterauge?«
    Das Geräusch verstummte. Das Butzenglas nahm dem blassen Sternenlicht die letzte Kraft. Kein Mond stand am Himmel. Gishilds Augen vermochten die Dunkelheit nicht zu durchdringen. Sie musste ihren anderen Sinnen vertrauen.
    Die Truhe stand unter dem Fenster, hatte Luc gesagt. Aber dort war sie nicht mehr. Sie hätte sie sonst bemerkt, als sie eingestiegen war.
    »Winterauge?«
    Da war ein Hüpfen und Flattern. Und dann wieder Stille.
    Mit vorgestreckten Armen tastete sich Gishild ins Zimmer. Sie stieß gegen einen Tisch.
    Wieder flatterte es.
    Das Mädchen blieb still stehen. War der Vogel frei? Warum sollte Lilianne so etwas tun? War sie vielleicht

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