Die Albenmark: Elfenritter 2 - Roman
an ihre Stelle setzen und mit kleinen Steinen verkanten, sodass man sehr genau hinsehen musste, um zu bemerken, was sie getan hatte. Vom Gang aus war es ein Leichtes, ihre Zimmertür zu öffnen. Nur von innen ging sie nicht auf. Es würde so aussehen, als habe sie die Kammer, in der sie eingesperrt war, niemals verlassen.
Sie lächelte in sich hinein. Sollten die beiden sich den Kopf zerbrechen, wie sie es fertiggebracht hatte! Sie durfte sich nur nicht erwischen lassen. Gishild öffnete die Tür und spähte nach draußen. Alles war ruhig.
DER BLUTBAUM
Luc hatte die ganze Nacht vor Aufregung nicht geschlafen. Zu viel war geschehen! Er war müde gewesen, hatte auf dem Bett gelegen, und seine Glieder waren ganz schlaff geworden. Aber sein Kopf arbeitete ohne Unterlass. So vieles verstand er nicht. Er hatte begriffen, dass nun alles gut werden würde. Aber er konnte sich nicht vorstellen, in welche Richtung ihn sein Leben führen würde. Er wollte ein Ritter sein, doch schon wieder war er anders als die anderen.
Er seufzte. Am Horizont vertrieb ein erster Silberstreif über den Bergen die Nacht. Seine Glieder waren noch immer schwer. Das Bett war zerwühlt … Er hatte nicht einmal seine Kleider abgelegt. Er schloss kurz die Augen und dachte an Gishild. Drustan würde sie und die anderen jetzt bald wecken. Wenn man sie aus den Träumen riss, war sie übellaunig. Aber das hielt nie lange an. Bald würde er sie wiedersehen …
Er konnte es kaum abwarten, bis sie allein miteinander wären. Er wollte einen Kuss von ihr. Aber vor den anderen war es ihm immer ein bisschen peinlich. Es machte ihm gar nichts mehr aus, mit allen Löwen seiner Lanze nackt baden zu gehen. Aber wenn die anderen zusahen, wie er Gishild küsste … Das war etwas anderes. Dabei wollte er lieber allein mit ihr sein.
Er dachte an den Geruch ihrer Haare. Sie trug den Duft des Waldes mit sich. Sie …
Die Tür zu seiner Kammer öffnete sich. Leon trat ein. Wie eine Naturgewalt sah er aus. Ein Schneesturm, weiß, voller Kraft. Der Alte hatte dunkle Ringe unter den Augen, aber
er wirkte nicht erschöpft. Er lächelte und setzte sich zu Luc auf das Bett.
»Heute ist ein besonderer Tag. Der Tag der Erweckung der jungen Novizen. Der Tag, an dem alle Lanzen aus deinem Jahrgang ihren Wappenschild erhalten werden. Es wird ein großer Tag für den Orden sein. Aber deshalb bin ich nicht hier …«
Luc hatte sich aufgesetzt. Es war ihm peinlich, dass er in Kleidern und Stiefeln auf dem Bett gelegen hatte. Als Ritter sollte man sich immer vorbildlich verhalten, hatte Drustan sie Tag für Tag ermahnt. Auch wenn man sich allein und unbeobachtet fühlte.
Der Junge strich seine Kleider glatt.
Leon legte den Kopf schief und sah ihn an. Wie konnte der Mann, vor dem er solche Todesangst gehabt hatte, auf einmal so freundlich und warmherzig erscheinen?
»Ich habe dir versprochen, dass ich ein großes Geheimnis mit dir teilen will, Luc. Wenn du es kennst, wirst du alles, was war, besser verstehen können. Du wirst begreifen, dass ich nicht grausam zu dir sein wollte … Ich musste Gewissheit über dich erlangen. Und ich musste den Orden vor den Anderen schützen.«
»Ich weiß, dass …«
»Nein, Luc. Es geht nicht um die Neue Ritterschaft. Es geht um einen anderen Orden. Er ist so geheim, dass in Valloncour zurzeit nur fünf Ritterbrüder darum wissen. Du wirst zu diesem Orden gehören. In der nächsten Neumondnacht werden wir dich in die Bruderschaft des Heiligen Blutes aufnehmen. Gestern hat sich offenbart, dass du einer von uns bist.«
Luc fragte sich, ob ein aufrichtiger Ritter Geheimnisse haben durfte, doch Leon sprach bereits weiter.
»Ich werde dich erst dann zu unseren geheimen Treffen mitnehmen können, wenn du dir die Sporen der Ritterschaft verdient hast. Aber deine Ausbildung hier in Valloncour wird anders verlaufen als bei den übrigen Novizen. Du wirst zusätzliche Pflichten haben. Du wirst viel mehr lernen müssen. Dein Lohn wird sein, dass du die Welt, so wie Tjured sie geschaffen hat, besser verstehen wirst. Du bist von einem ganz besonderen Blute, Luc de Lanzac. Ein Auserwählter Gottes. Ich fürchte, deine Pflichten werden dich oft bedrücken. Du darfst zu niemandem von deinem Geheimnis reden. Nicht einmal zu Gishild, auch wenn du sie von ganzem Herzen liebst. Sie darf am allerwenigsten wissen, wer du wirklich bist. Versteh mich nicht falsch … Es macht mein Herz froh zu wissen, wenn einer unserer Novizen oder Ritterbrüder die Liebe
Weitere Kostenlose Bücher