Die Albenmark: Elfenritter 2 - Roman
nicht mehr wiedergeboren werden. Die Flammen würden ihn nehmen, und dann würde er ins Mondlicht gehen. Sein Herz hatte sie nie wirklich besessen, so sehr sie auch darum gerungen hatte. Sie sollte ihn ziehen lassen. Und doch konnte sie es nicht. Sie wusste, wenn sie Gishild fände, würde sein Leben noch ein wenig länger währen. Ein paar Jahre noch.
Die Königin steckte ihr Haar hoch. Vorsichtig ließ sie sich vom Felsen in das warme Wasser gleiten. Lotusblüten trieben auf dem Wasser und streiften ihre Haut wie die zärtlichen Finger eines Liebhabers. Sie ließ sich treiben. Warme Nebelschleier umfingen sie. Nie war sie in den See der geheimen Stimmen gestiegen, um mit den Apsaras zu schwimmen und ihr Orakel zu befragen. Sie war zu stolz dazu gewesen. Vielleicht hatte sie auch einfach nur Angst gehabt, auch hier keine Antwort zu finden.
Der Duft von Pfirsich und Sandelholz hüllte sie ein. Im Wasser fühlte sie sich wunderbar leicht. Es schien alle Sorgen hinwegzuspülen. Sie trug nicht länger die Last einer Welt. Selbst die Last ihrer unglücklichen Liebe wurde ihr leichter.
Etwas glitt an ihr vorbei, ein glatter, schlanker Leib. Sie sah verschlungene Muster auf blasser Haut. Eine Fahne aus schwarzem Haar verschwand im dunklen Wasser.
Emerelle hörte das Raunen der Apsaras hinter den Nebelschleiern. Und sie fühlte sich benommen. Sie griff nach dem Albenstein auf ihrer Brust. Einen Herzschlag lang war sie versucht, sich vor dem Zauber zu schützen. Doch sie wusste, dass sie nur dann auf Antwort hoffen durfte, wenn sie sich den Apsaras ganz hingab.
Sie ließ die Hand sinken.
Das Raunen klang näher. Ein fremder, schwerer Duft verdrängte
den Pfirsichhauch. Emerelle spürte eine Wärme tief in ihrem Bauch, die dort lange nicht mehr gewesen war. Der Knoten in ihrem Haar hatte sich geöffnet. Nass und schwer lag es auf ihren Schultern. Berührte sanft ihre Brüste. Streichelte sie im Wiegen der Wellen.
»Wir wissen um deine Qual«, sagte eine dunkle Frauenstimme, ganz nah.
Die Königin spürte eine Bewegung im Wasser. »Wie kann ich Ollowain retten?«
»Er will nicht gerettet sein, Königin«, raunte eine andere Stimme. »Er sehnt sich danach, Lyndwyn im Mondlicht zu begegnen.«
»Wie lange kann er noch bleiben? Ich kann ihn nicht ziehen lassen.«
»Ist das wirklich Liebe, Königin?«
Sie kannte die Antwort. Doch manchmal, wenn für einen Lidschlag oder zwei Falrach in ihm stark war, dann sah er sie an wie früher. Keinen dieser Blicke wollte sie missen, auch wenn es selbstsüchtig war. Ollowain war der wiedergeborene Falrach. Und Falrach war stark. Sie selbst war es gewesen, die einst auf der Shalyn Falah die Erinnerung an all seine vergangenen Leben in Ollowain erweckt hatte. Seitdem war Falrach wieder da. Eine Zeit lang hatte ihm Ollowains Leib ganz gehört. Doch dies war lange her. Jetzt blieben ihm nur manchmal noch ein Lidschlag oder zwei …
»Wenn der zurückkehrt, der Anfang und Ende ist, dann wird Ollowain gehen. Sein Leben endet am selben Tag wie das des Anderen. Länger wird die Frist nicht währen. Doch liegt es bei dir, ihn früher ziehen zu lassen. Jetzt, da ich diese Worte spreche, steht das verlorene Mädchen an der Schwelle der Goldenen Hallen. Wenn sie die Schwelle überschreitet, dann wird auch Ollowain früher frei sein.«
»Ihr wisst, wo Gishild ist?«
Rings um sie herum waren jetzt weiße Leiber, gerade so weit weg, dass Emerelle sie nicht berühren konnte. Jedes Mal antwortete ihr eine andere Stimme.
»Wir wissen nicht, wo ihr Körper weilt. Doch sehen wir, wohin ihr Licht geht.«
»Ihr müsst sie aufhalten! Albenmark wird untergehen, wenn wir sie verlieren.«
Ein schmales, bleiches Frauengesicht, gerahmt von schwarzem Haar, schob sich vor ihr aus dem Wasser. Die Königin blickte in Augen, so dunkel wie der See der geheimen Stimmen. »Albenmark wird nie mehr sein, wie es war. Das kannst du nicht verhindern, Königin.«
Sie wusste, dass dies stimmte. »Aber ich kann nicht aufhören, mich diesem Schicksal entgegenzustemmen. Haltet Gishild auf!«
Das Gesicht versank im Wasser.
»Das können wir nur, wenn du aufgibst, was die Alben dir anvertraut haben. Unsere Macht allein reicht nicht.«
Emerelle tastete nach dem Stein an ihrer Brust. Nie hatte sie ihn weggegeben.
»Du musst loslassen, Königin. Dann wirst auch du eines Tages Frieden finden.«
Sie dachte an Ollowain und an Falrach. Ein Ruck ließ das dünne Lederband in ihrem Nacken zerreißen. Sie hielt den Stein fest
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