Die Albenmark: Elfenritter 2 - Roman
einer Maurawani. Es sei denn …
Sie musste gewollt haben, dass man sie wiedererkannte. Sie hatte geahnt, dass man ihre Waffen rauben würde. Dass ihre Leiche geplündert würde. Dass nichts bleiben würde, woran man sie erkennen könnte, wenn man nur ihre blanken Knochen fand. Silwyna hatte offensichtlich darauf gehofft, dass man sie suchte. Sie hatte recht behalten.
Tiranu war nicht sentimental, aber der einsame Tod der Jägerin berührte ihn. Und ihr verzweifelter Wunsch, wiedergefunden und erkannt zu werden.
Was hatte die Elfe wohl hierher in dieses einsame Tal geführt ? Von wo war sie gekommen? Zu Skanga konnte er nicht mehr gehen. Silwyna hatte ihr Geheimnis wohl mit ins Grab genommen. Er war also keinen Schritt weiter gekommen. Er würde kein Elfenritter sein. Er blieb der Verdammte, dem niemand traute. Und er war sich sicher, dass selbst, wenn er etwas Edelmütiges tat, sich dennoch nichts ändern würde.
Er sah die tote Maurawani an. »Ich kann nicht sagen, dass ich dich zu Lebzeiten sonderlich gemocht hätte. Das beruhte
wohl auf Gegenseitigkeit.« Er setzte sich mit dem Rücken zum Fels und blickte in den wolkenlosen Nachthimmel. Was hatte es zu bedeuten gehabt, dass er auf so sonderbare Weise hierher gelangt war? »Du solltest nicht hier sein. Ich bring dich heim nach Albenmark. Eines Tages würden sie dich finden … Die verfluchten Priester würden deinen Leib schänden. Oder sie würden deinen Leichnam ausstellen, damit alle sehen, dass man uns besiegen kann und die Kirche sie beschützt. Besonders mit Trollen machen sie das gerne. Ich habe schon einige solcher Geschichten gehört … Keinen Respekt haben sie.«
Er berührte ihren steif gefrorenen Leib. »Komm, treten wir die letzte Reise an. Wir …«
Ein seltsames Licht umspielte sie. Tiranu hatte es schon gesehen, auf den Schlachtfeldern, aber noch nie so nah. Es dauerte nur einen Augenblick. Ihr Leib verging. Sie öffnete noch einmal ihre Wolfsaugen. Tief in sein Herz blickte sie. Und lächelte. Dann war sie fort. Ins Mondlicht gegangen. Ihre Reise von Tod und Wiedergeburt war beendet.
Die Stille im Tal machte ihm plötzlich zu schaffen. Sie war doch nur eine Tote gewesen … Es war dumm, sich jetzt, wo sie fort war, allein zu fühlen.
Er nahm ihren zerrissenen Umhang und schlang ihn sich um die Beine. Und dann sah er die Zeichen im Fels. Silwyna musste sie mit ihrem Dolch in den Stein geritzt haben. Eine letzte Nachricht. Statt ihre Wunde zu versorgen, hatte sie sich damit abgemüht. Hätte sie sich zuerst um die Kugel gekümmert, würde sie vielleicht noch leben. Aber ein Vielleicht war ihr nicht genug gewesen. Die zwei Worte dort im Fels einzugraben hatte ihr mehr bedeutet als ihr Leben.
GISHILD VALLONCOUR
TREIBGUT
Luc sah die Fackeln unten am Ufer und trieb den großen Hengst zum Galopp. Es waren nur zwei verschwommene Lichtpunkte im Nebel. Aber sie bewegten sich schon eine Weile nicht mehr. Das konnte nur eines bedeuten: Man hatte sie gefunden. Die Strömung hatte sie angespült. Luc hatte Angst vor dem, was ihn unten am Ufer erwarten mochte. Sie konnte nicht … Nein! Denk nicht einmal daran. Man darf die schlimmen Dinge nicht beim Namen nennen. Nicht einmal in Gedanken! Damit rief man sie herbei.
Er parierte den Hengst, sprang aus dem Sattel und hastete die Uferböschung hinab. Das Gras war nass vom Nebel. Er rutschte aus, schlitterte hinab, stieß sich das Knie an einer Baumwurzel und fühlte doch keinen Schmerz. Seine Angst betäubte all seine Sinne.
»Gishild.«
Zwei Krieger der Andalanen standen bei ihr. Sie vermieden es, ihm in die Augen zu sehen. Zwei Gestalten lagen hingestreckt im Uferschlamm. Der Capitano und sie. Das lange rotblonde Haar klebte ihr im Gesicht. Sie lag starr.
Luc warf sich vor ihr auf die Knie. Seine Hände tasteten nach ihrem Hals. Sie war so blass, ihre Haut so kalt. Mit zitternden Fingern suchte er das sanfte Pulsieren der Adern, das vom Leben kündete. Er spürte, dass es hier keine Kraft gab, nach der er greifen konnte, um sie zu heilen. Es gab sie nirgends mehr in Valloncour … Seine Gabe würde ihm nichts nutzen, jetzt, da er sie am dringendsten brauchte.
Er strich ihr das Haar aus dem Gesicht. Ihre Augen waren geschlossen. Sie sah friedlich aus, so als schliefe sie. Doch
er wusste, dieser Schlaf würde sie in den Tod tragen, wenn er es nicht schaffte, sie aufzuwecken.
Er rieb ihre eiskalten Hände. »Bitte, Gishild! Bitte, komm zurück! Ich bin es, Luc. Bitte!«
Der Capitano rührte sich
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