Die Albenmark: Elfenritter 2 - Roman
schwach. Warum lebte er? Warum kam ein alter Mann davon? »Ihr müsst ihn auf die Seite drehen. Er muss das Wasser ausspeien, das er geschluckt hat!«, wies Luc die beiden Krieger an.
Gishilds Hand glitt kraftlos aus seinen Fingern. »Du hast immer gekämpft in deinem Leben. Du kannst doch jetzt nicht damit aufhören!«
Fieberhaft überlegte er, was er in all den endlosen Stunden, die man ihn in der Heilkunst unterwiesen hatte, erlernt hatte und das nun helfen mochte. Er wusste, dass kaltes Wasser den Lebensfunken ein wenig länger an den sterbenden Körper band.
»Einer von euch macht jetzt ein Feuer!«, herrschte er die beiden Andalanen an, während sich der Capitano erbrach.
Luc legte ihr seine Linke auf die Brust, dort, wo ihr Herz war. Dann schlug er mit der Rechten darauf, so stark er es vermochte. »Los! Atme! Komm zurück!«
Immer wieder schlug er zu. Und wie im Stoßgebet wiederholte er unablässig das eine Wort: »Atme!«
Schließlich beugte er sich verzweifelt vor und presste seine Lippen auf die ihren, um ihr seinen Lebensatem einzuhauchen. Heiße Tränen troffen auf ihre Wangen. »Bitte, Gishild«, flüsterte er verzweifelt. »Bitte! Verlass mich nicht! Ich werde alles tun. Ich komm mit dir ins Fjordland, wie du es dir gewünscht hast. Du wirst deine Berge wiedersehen. Die klippengesäumten Buchten. Deinen Vater. Bitte, Gishild, gib jetzt nicht auf!«
Die Andalanen hatten ihren Capitano aufgesetzt. Einer
hielt ihm eine Feldflasche an die Lippen, doch er stieß sie zur Seite. »Es tut mir leid …«, sagte er stockend. »Sie hat mir noch ans Ufer geholfen. Ohne sie …«
Luc wollte das nicht hören. Er wünschte, er wäre allein mit ihr. Wieder beugte er sich vor, um seinen Atem mit ihr zu teilen. Und er dachte an all die ungezählten Küsse, die er in den letzten Jahren von diesen Lippen gestohlen hatte. Es durfte nicht so enden! »Ich schenke dir mein Leben, Tjured, wenn du sie nur zurückkehren lässt. Alles werde ich tun … Aber lass sie jetzt nicht gehen. So darf sie nicht sterben. Wie Treibgut gestrandet an einem schlammigen Ufer. Meine Prinzessin. Was willst du von mir, Gott?«, schrie er in die Nacht. »Gib sie mir wieder!«
Erneut schlug er auf ihre Brust ein. »Los, atme! Geh nicht fort! Du hast mir geschworen, dass ich dein Ritter sein werde. Dass wir jeden Weg gemeinsam gehen. Ich lass dich nicht allein. Hörst du mich, du verdammte, dickköpfige Heidin ?« Wieder drückte er mit aller Kraft auf ihre Brust. »Wenn du jetzt gehst, dann folge ich dir.«
»Herr …«
»Schweigt!«, fuhr er die Andalanen an.
»Das dürft Ihr nicht tun, Herr. Ihr verschenkt Euer Seelenheil. Tjured duldet nicht, dass man …«
»Seid endlich still! Geht, lasst mich mit ihr allein.« Wieder drückte er auf Gishilds Brust. »Komm zurück, verflucht! Du hast mir dein Leben versprochen. Du hast mich unter dem Galgen besucht. Du kannst jetzt nicht einfach gehen!«
»Packt ihn, bevor er sich etwas antut!«, befahl der Capitano trotz seiner Schwäche. »Er ist nicht mehr bei Sinnen !«
Luc zog seinen Parierdolch. »Rührt mich an, und ihr geht mit mir. Lasst mich allein mit ihr. Bitte!«
»Junge, Tjureds Wille ist unergründlich. Wir können das nur hinnehmen. Wir können ihn nicht verstehen …«
Diese Phrasen waren das Letzte, was er jetzt hören wollte. Aber ihm fehlte die Kraft aufzubegehren. Er fühlte sich leer. Gishild war ein Teil von ihm, lange schon. Tief in seiner Brust war eine zehrende Leere. Er hatte sein Herz gegeben. Das war mehr als nur ein Wort. Er brauchte ihre Nähe, die Wärme ihres Körpers, wenn sie sich im Schlaf an ihn schmiegte. Ohne sie würde er vergehen. Er ließ den Dolch sinken. »Ich werde mir nichts antun, das schwöre ich bei Tjured.« Er brauchte keine Waffe dazu. Ohne ihre Liebe würde er vergehen.
Er legte sich neben sie und nahm sie in den Arm. Seine Lippen suchten die ihren. »Nimm meinen Atem«, hauchte er.
DIE LIEBE EINER KÖNIGIN
Emerelle legte ihr Blütenstaubkleid ab. Wunderbar weich floss der zarte Stoff über den Fels. Sein warmes Sommergelb strahlte auf dem grüngrauen Fels. Hunderte Schmetterlinge tanzten um sie herum, ein schillernder, lebendiger Regenbogen. Gleich würden sie sich wieder auf dem Kleid niederlassen und auf sie warten.
Die Königin war verzweifelt. In der Silberschale fand sie keine Antwort auf ihre Fragen. Stattdessen zeigte sie ihr immer wieder, was sie am wenigsten sehen wollte: Bilder von
Ollowains Tod. Und sie wusste, er würde
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