Die Albenmark: Elfenritter 2 - Roman
im Kampf um Valloncour eine Aufgabe übertragen, die er nicht überleben wird. Damit wäre auch mir gedient. Ich weiß, er ist ein skrupelloser Intrigant. Aber er ist auch ein Fürst Albenmarks. Solange ich ihm nicht nachweisen kann, dass er sich gegen die Krone verschworen hat oder mit den Tjuredpriestern paktiert, kann ich fast nichts gegen ihn unternehmen.«
Ollowain griff nach seinem Gürtel und öffnete ihn. »Herrin, nimm mein Schwert zurück. Ich bin nicht länger der deine. Ich kann deine Befehle nicht ausführen. Sie widersprechen dem, wofür ich ein Leben lang gekämpft habe.«
Emerelle hatte diese Szene in der Silberschale gesehen. Sie war darauf vorbereitet. Und doch waren Ollowains Worte wie ein Dolchstoß in ihr Herz. Erkannte er denn nicht, dass sie keine andere Wahl hatte? Sie hatte ihr Wort als Königin gegeben! Und die Ritter vom Orden des Blutbaums mussten mit allen Mitteln bekämpft werden, wenn sie Albenmark vor ihnen schützen wollte.
»Ich nehme deinen Zorn zur Kenntnis, Schwertmeister, und weise dein Ersuchen zurück, von deinem Dienst entbunden zu werden.«
Ollowain ließ das Schwert vor ihre Füße fallen. »Ich rebelliere gegen deinen Befehl. Ich bin nicht länger dein Schwertmeister, Emerelle. Lass die Wachen rufen und mich in Eisen legen.«
Sie maß ihn mit eisigem Blick. »Wenn ich es bin, die dieses
Schwert aufhebt, dann wird Tiranu nicht nur unter die Elfenritter aufgenommen, sondern er wird deine Stelle einnehmen. Es ist deine Entscheidung, ob ein Kindesmörder diesen Angriff führen wird. Valloncour wird deine Brücke über die Bresna sein.«
DAS GEHEIMNIS
Das lief alles nicht so, wie er es sich gedacht hatte. Luc war verzweifelt.
Gishild beugte sich zurück und lachte leise.
»Was ist so lustig?« Seine Stimme klang ganz falsch. Er war doch nicht zornig. Nur verzweifelt …
Sie lachte wieder. »Heute Abend küsst du wie bei unserem ersten Kuss. Woran denkst du nur? Erinnerst du dich noch an unseren ersten Kuss?«
»Natürlich!« Wie könnte er ihn jemals vergessen, den Kuss hoch oben in der Steilklippe über dem Meer. Den Himmel voller Möwen. Oft dachte er an diesen Nachmittag.
»Eigentlich war es inzwischen besser geworden mit deinen Küssen.«
»Ja.« Was sollte man dazu sagen?
Gishild war wohl kalt. Sie zog die Decke aus dem Boden des Bootes und schlang sie um ihre Schultern. Zwar war ihr Haar feucht von den Dunstschleiern, die über dem Wasser trieben, doch ihr Frösteln hatte wohl eher damit zu tun, dass sie sich noch immer nicht vollständig erholt hatte. Irgendwo
am Grund des kleinen Sees musste es wohl eine heiße Quelle geben. Jedenfalls war es immer warm hier an diesem verborgenen See in den Felsen. Er war ihr Refugium, ihre geheime Zuflucht. Hierher kamen sie, wenn sie sich lieben wollten.
Luc massierte seine Knie. Ein Boot war nicht der beste Platz für eine Liebesnacht. Er war danach immer voller blauer Flecke. Aber im Turm war es unmöglich. Alle dreizehn Novizen schliefen in einer viel zu engen Kammer. Dort gab es keine Heimlichkeiten. Auch Bernadette und Joaquino mieden es, dort beieinander zu liegen.
Gishild blickte gedankenverloren in die Nebelschleier. Sie hatte sich verändert seit dem Angriff auf die Kröteninsel. Seit dem Wunder … Aber seine Gefühle zu ihr waren noch immer dieselben, auch wenn sie jetzt stiller und in sich gekehrter war. Sie mochte über diese Nacht nicht reden. Ob sie Tjured gespürt hatte? Würde sie sich jetzt endlich von ihren Götzen abwenden? Aber das waren nicht die Sorgen dieser Nacht. Er hätte schon viel früher mit ihr reden sollen. Anfangs war es nur eine verrückte Idee gewesen. Er hatte sie überraschen wollen, doch dann hatte er den rechten Zeitpunkt verpasst, sie zu fragen. Er hätte es vor einer Woche schon tun sollen! Was aber, wenn sie nein sagte? Besser nicht daran denken. Er musste in dieser Nacht damit herausrücken …
Es war schon schwer gewesen, eine Geschichte dazu zu erfinden, warum sie gestern in die Ordensburg geladen worden waren. Und das nicht als Einzige. Es gab noch fünf andere Paare. Wenn sie mit Joaquino und Bernadette auch nur ein Wort wechselte, wäre alles verloren! Und dann die Zelte auf der großen Wiese, die Vorbereitungen für das Fest. Er hatte sich immer tiefer in ein Dickicht aus Lügen verstrickt, um für all dies plausible Erklärungen liefern zu können. Und er war froh gewesen, als sie vorgeschlagen hatte, hierher
zum See zu reiten, um die Nacht in ihrem Boot zu verbringen.
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