Die Albertis: Roman (German Edition)
auf den Tisch gepackt. Ja! Ja, ich habe ein paar Mal Teile eingeschmissen, aber nicht oft. Und zuletzt vor zwei Wochen oder so. Und auch nichts anderes. Nicht gepafft, ja? Und wir haben uns keine Nase reingezogen, wenn du das wissen willst.»
«Zum Beispiel. Zum Beispiel will ich genau das wissen.» Ihr Vater kam um das Bett herum, setzte sich neben Anne, nahm die Hand seiner Tochter. «Keiner will dir was Böses. Ich liebe dich, Anuschka.»
Anuschka bemühte sich, nicht zu weinen.
«Aber du musst doch verstehen, dass ich als dein Vater, und auch Anne, wir leben hier zusammen, es darf nicht sein, dass wir so nebeneinanderher leben, wir nicht wissen, was abgeht, ich will wissen, wenn es dir gut geht, ich will wissen, wenn du Kummer hast. Und wenn du ...», es fiel ihm schwer, es so lässig aussprechen, «... E nimmst: will ich das auch wissen. Muss ich das wissen. Man kann so schnell abrutschen.» Er war jetzt sehr erregt. «Ich habe euch nicht großgezogen, Herr im Himmel, mir die ganze Mühe gemacht, damit ihr, kurz bevor ich euch richtig laufen lassen kann, in irgendeine Szene kommt, wo man euch nie wieder rauskriegt. Versteh mich doch!»
«Warum nehmt ihr so was?», wollte Anne wissen. Paul saß ganz dicht neben ihr. Sie konnte seinen bebenden Körper spüren. «Was bringt das?»
«Habt ihr nie Haschisch genommen? Marihuana geraucht?»
«Nein!», erklärte Paul. Natürlich log er.
«Ich schon.» Anne grinste verlegen.
«Na bitte.»
Paul ließ Anuschkas Hand los. «Das ist doch was völlig anderes!»
«Man nimmt es, weil man es angeboten kriegt. Jeder tut das.»
Paul hatte nicht die Absicht einzulenken: «Millionen Deppen können nicht irren, oder was? Davon wird es auch nicht besser.»
«Du kannst besser tanzen, du erlebst alles intensiver, du bleibst länger wach, wenn du küsst, stinkst du nicht nach Alkohol. Und es ist superbillig. Und nur falls du es noch nicht mitgekriegt hast: In jeder Kultur gab und gibt es akzeptierte Drogen. Und Drogen, die verteufelt wurden und werden. Denk an Südamerika, Asien. Denk an die Prohibition. Ihr trinkt jeden Abend Wein. Und anderes. Anne raucht.»
«Manchmal.»
«Von mir aus: manchmal. Wir wissen ganz genau, dass es nicht gesund ist. Aber alle machen es. Und nun wird uns Jungen die Hölle heiß gemacht, weil wir E nehmen. Das ist ungerecht.»
«Sagt das dein Stivi?» Paul fand die Argumentation seiner Tochter ziemlich verquer. «Wenn der rauskommt, dann knöpfe ich mir den auch vor. Da kannst du Gift drauf nehmen!»
«Aber du wolltest doch nicht auch dealen, oder?», hakte Anne nach.
«Meine Tochter dealt nicht!», raunzte Paul sie an.
Anne erinnerte sich daran, wie sich die Klassenlehrerin von Luis einmal beim Elternabend darüber beschwert hatte, dass er beim Sport dadurch auffallen würde, dass seine Füße einen, wie sie sich ausdrückte, «Brom-artigen» Geruch verströmen würden, er mit anderen Worten stinken würde. «Meine Kinder riechen nicht!», hatte sie darauf mit Inbrunst entgegnet, musste aber insgeheim zugeben, dass die Sache mit Luis stimmte – schon als Baby hatte er geschrien, wenn sie ihn baden wollte, später, wenn er mit seinen Brüdern zusammen in die Wanne gesteckt wurde, war er der Letzte, der hineinging, und zwar unter Protest, und der Erste, der wieder rauswollte. Er hegte eine tiefe Abneigung gegen Körperpflege und verabscheute Wasser, und sie hatte bis heute die Angewohnheit nicht ablegen können zu kontrollieren, ob er sich duschte, wusch und sich die Zähne putzte.
«Hör zu, Anuschka, ich sage dir das nicht nur als dein Vater, sondern auch als Arzt: Bitte verharmlose die Sache nicht und halte mir in Zukunft auch keine Vorträge über gesellschaftlich geduldete Drogen! Ecstasy ist hochgefährlich, besonders weil man nicht weiß, was in den Drogenküchen da alles mit hineingemischt wird. Es lässt die Nervenenden verkümmern, ohne dass du es merkst, und ich sage dir, da wächst eine Generation von Alzheimerkranken heran, die doof werden nach und nach, und keiner weiß, warum. Es kann zu Gedächtnisschwund führen, zum Kreislaufkollaps oder Herzstillstand, um nur einige Auswirkungen aufzuzählen. Du hast verdammtes Glück bisher gehabt. Auch mit uns. Fordere dein Schicksal nicht weiter heraus. Ich sage es dir im Guten.» Paul stand auf. Er wollte gehen.
«Und jetzt willst du mich morgen durchchecken, mein Blut, den Urin, weil du glaubst, ich lüge?»
«Sie hat doch jetzt alles gebeichtet, Paul!»
«Morgen früh um
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