Die Albertis: Roman (German Edition)
sie mir!»
«Hast du denn im Moment, ich meine ...»
Ebba erzählte ihr von dem Ölauge, mit dem sie gerade ein Flirt verband, einem Türken, den sie auf einer Geschäftsreise nach Istanbul kennen gelernt hatte.
Über die glitzernde Alster zogen Schwärme von Segelbooten, ein schneeweißer Dampfer mit rotem Dach tuckerte vorbei. Schwäne ließen sich von den Restaurantgästen mit Brotresten füttern. Ebba bestellte beim vorbeilaufenden Kellner eine Flasche Weißwein und ein Flasche Wasser. Anne erkundigte sich nach der unangenehmen Mobbing-Geschichte und wollte wissen, was daraus geworden war.
«Der Typ ist weg!», erklärte Ebba fröhlich. «Da habe ich hart dran gearbeitet. Und ich sage dir auch wie. Die Sache steigerte sich nämlich noch ein bisschen. Er hat mich ausspionieren lassen, von meinen engsten Mitarbeitern. Bei meinen Vorgesetzten behauptet, ich würde Kunden falsch und fahrlässig beraten, wie ich dir ja erzählte. Was nicht stimmte. Dann hat er behauptet, ich hätte ein Verhältnis mit jemandem aus dem Vorstand bei einer Frankfurter Bank, der mich stützt und schützt und dem ich interne Informationen weitergebe. Was definitiv nicht stimmte. Und damit hatte er fast Erfolg. Fast. Mich ärgert, Anne, dass wir Frauen immer noch so abgestempelt werden: erfolgreich dank Sex. Wir können zehnmal besser sein, zwanzigmal mehr leisten, was wir ohnehin tun müssen, um irgendwie akzeptiert zu werden, aber es läuft immer darauf hinaus. Wirklich emanzipiert sind wir doch erst, wenn inkompetente Frauen Führungspositionen bekleiden!» Sie lachte kurz über ihre Bemerkung. «Na ja, bei dem Typen musste eben ein Exempel statuiert werden.»
«Na, dann bin ich aber mal gespannt.»
«Ich habe oft abends im Bett gelegen und überlegt: Welche Waffen wähle ich? Dolch oder Degen? Hinterrücks erstechen oder frontal angreifen? Und dann dachte ich, okay, ihr glaubt, Frauen sind völlig sexualisierte Wesen. Dann gebe ich euch Recht.»
«So ganz abwegig ist das ja auch nicht bei dir.» Anne schmunzelte. «Darling!»
«Anne! Ärger mich nicht! Hast du nicht verstanden, dass das ein Unterschied ist? Frauen haben das Problem, dass sie viel leisten, aber oft nicht in der Lage sind, es auch zu kommunizieren, im Gegensatz zu den Männern.»
«Ich habe bei dir nie das Gefühl gehabt, dass du nicht kommunizierst, was du alles kannst und tust.»
«Ich auch nicht, aber ...», Ebba machte eine Pause, nippte gedankenverloren an ihrem leeren Glas Prosecco, «... die hatten mich irgendwie ausgeguckt, ich stand in der Ecke, ich war plötzlich die Buh-Frau der Abteilung. Kurz und gut, was habe ich gemacht?»
«Du sagst es mir, Ebbalein.»
«Ich habe ihn mir geschnappt, ihn zum Essen eingeladen, ihm direkt, ja, direkt ins Gesicht gesagt: Sie wollen meinen Job, wollen mich raushaben, sie intrigieren gegen mich. Er hat sich gewunden. Ein junger Mann, weißt du, sieht ganz gut aus, einer von diesen mit Taschenrechner statt Herz und Computer statt Hirn, gaanz schlank, weil der Ehrgeiz ihn so aufgefressen hat, aber nur schnell auf bestimmten Gebieten, keine Lebenserfahrung, eigentlich ein Dummkopf. Ich spielte die Schlange. Er war das Kaninchen. Und das Beste, er hat es zu spät gemerkt.» Sie lachte auf. «Nachdem ich merkte, ich kriege ihn nicht klein, kann in Sachen Intrigen und Seilschaften nicht dagegenhalten, habe ich mich für die Strategie ‹Liebe› entschieden, ihm gegeben, was er ohnehin erwartete, dass ich es den Männern gebe. Ich habe ihm gesagt: Sie sind stark und ich bin schwach, sie brauchen keine Angst vor mir zu haben. Ich habe ihn besoffen gemacht. Nach Hause geschleppt, verführt – ich glaube, ich hatte noch nie so schlechten Sex. Aber was soll's? Wenn es der Sache dient ... Von da an hing er an der Angel. Süßholzgeraspel per E-Mail. Schmachtblicke in den Konferenzen. Blumenregen, Tag und Nacht. Als ich dann nach vier Wochen, ja, vier Wochen habe ich es ausgehalten, seine Liebe nicht erwidern konnte, hat er unter Tränen adieu gesagt und sich nach Brüssel versetzen lassen. Und ich leite seitdem seinen Bereich noch mit. Und nun kommst du.»
Glücklicherweis kam der Kellner und brachte die Getränke, Anne musste darauf nichts erwidern. Er ließ Ebba probieren und schenkte ein, nachdem sie an dem Wein nichts zu beanstanden hatte. Dann nahm er die leeren Prosecco-Gläser und ging wieder.
«Es geht eben immer um Macht», erklärte Ebba. «Es geht um die Macht der Männer. Es geht um Jagen und Töten. Töte oder
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