Die Albertis: Roman (German Edition)
du wirst getötet.»
Anne war das Thema unsympathisch. Sie mochte diese Ebba nicht, die sich so kalt und berechnend darstellte. Sie schätzte und liebte die andere Ebba, die weiche, mitfühlende Ebba, die treue, verständnisvolle Freundin, die eigentlich einsam war. Als das Essen kam, waren sie beim Altwerden angelangt. Anne machte sich nicht viele Gedanken darüber, ganz einfach, so glaubte sie, weil sie keine Zeit dafür hatte. Doch für Ebba war es offensichtlich ein bestimmendes Thema, eine Sorge, eine Furcht. Sie wollte nicht älter werden, sie wollte jung aussehen, sie wollte nichts von ihrer Attraktivität, Kraft und Macht abgeben.
«Ich habe mir überlegt, dass es eigentlich an der Zeit ist ...»
«Dass du dich wieder liften lässt? Das sagst du mir jedes Mal. Dann tu es auch endlich!» Anne spürte, wie sie ärgerlich wurde.
Ebba setzte ihren Gedanken ungerührt fort, während sie kräftig in das Paillard vom Kalb schnitt und sich einen Bissen zum Mund führte: «... mir einen jüngeren Liebhaber zu nehmen. Was meinst du?»
«Ach, Ebba, du wechselst deine Lover wie unsereins die Wäsche. Du brauchst keinen neuen Lover, ganz gleich, ob er nun jünger oder älter ist, du brauchst überhaupt mal jemanden, der länger als vier Wochen bleibt und den du nachts nicht mit Staubsaugen rausekelst. Du musst mal deine Bindungsängste überwinden. Was du brauchst, ist ein Freund.»
«Darling. Für die Freundschaft habe ich ja dich.» Wieder lachte Ebba über das hinweg, was sie wirklich fühlte. Es war, bei aller Nähe, kein Herankommen an sie. Anne gab es auf. Sie aßen ihr Essen zu Ende, bestellten Espresso, plauderten mit Nando, der immer wieder an ihren Tisch kam. Anne unterhielt Ebba mit Familiengeschichten, erzählte davon, wie schwierig es gewesen war, an Anuschka heranzukommen, und wie gut sie sich mittlerweile mit Frau Merk verstehen würde, und wie schön sie es fände, dass Paul mit den Jungs etwas unternahm und angeln ging. Dann, als sie das Mittagessen beendet hatten, der Nachmittag anbrach und die Hitze unter den Sonnenschirmen immer größer wurde, als die anderen Gäste längst gegangen waren und die Kellner es sich nach getaner Arbeit gemütlich machten, indem sie ihre Beine über die Geländer mit den Blumenkästen legten, Zigaretten rauchten und in der Sonne dösten, brachen auch Ebba und Anne auf. Sie nahmen sich vor, bis zum nächsten Wiedersehen nicht wieder so viel Zeit verstreichen zu lassen.
Ursprünglich hatte sie die Idee gehabt, Paul anzurufen und ihn zu fragen, ob er nach dem Ausflug mit den Jungs nicht in die Stadt kommen wolle, um sich mit ihr und Ebba zu treffen. Aber jetzt hatte sie keine Lust mehr dazu. Eine dicke Portion Ebba am Tag reichte ihr. Sie wollte nach Hause. Am späten Nachmittag setzte sie sich in ihren Volvo und fuhr zurück. Während der Fahrt schaltete sie die Freisprechanlage ein und rief zu Hause an. Sie hörte im Hintergrund ein lautes Gejohle, als Paul den Anruf entgegennahm.
«Ich bin in zwanzig Minuten da!», sagte sie und jagte mit hundertdreißig über die Autobahn. «Was machen wir heute Abend?»
«Schon?»
«Na, das klingt ja begeistert.»
«Ich dachte, du bist mit Ebba unterwegs, mindestens bis ...»
«Ich hatte keine Lust mehr. Erzähle ich dir später. Also? Hast du was geplant?»
«Wir grillen. Deine Söhne haben zwei Zentner Fisch aus dem See geholt.»
«Habt ihr wenigstens Spaß gehabt?»
«Spaß? Das ist gar kein Ausdruck.» Paul lachte laut auf. «Ich liebe deine Söhne.»
«Wirklich?»
«Wir sind ein klasse Team.»
Ein warmes Gefühl stieg in Anne auf. Endlich, dachte sie, endlich sind wir eine Familie.
«Beeile dich!», fuhr Paul fort. «Ich habe auf der Straße Herrn Lissmann getroffen, vier Häuser weiter, weißt du? Er und seine Frau haben uns alle in ihren Garten eingeladen. Wir bringen die Fische mit, sie sorgen für den Rest. Bist du einverstanden?»
«Sicher!», sagte Anne. «Ich freue mich. Bis gleich.»
«Bis gleich.»
Eine halbe Stunde später war sie da. Sie bestaunte in der Küche den Fang, den ihre Söhne und Paul auf einem Backblech, das auf dem Tisch stand, ausgebreitet hatten. Dann packten sie gemeinsam ein paar Flaschen Wein ein, drei Salatköpfe, zwei Baguette, die Paul am Morgen beim Bäcker gekauft hatte, nahmen das Backblech, das sie mit einer aufgeschnittenen Plastiktüte abdeckten und marschierten zu den Nachbarn hinüber. Alle waren fröhlich und alle kamen mit, selbst Laura, die eigentlich hatte fernsehen
Weitere Kostenlose Bücher