Die Albertis: Roman (German Edition)
nicht noch mehr auf der Tasche liegen, als sie es ohnehin schon tat. Geldsachen waren ihr sowieso unangenehm, und da immer noch nicht geregelt war, wie viel Wolf zu zahlen hatte, war sie weiterhin knapp bei Kasse. Zweitens hätte sie wahrscheinlich mit den beiden Kleinen allein reisen müssen, und dazu hatte sie absolut keine Lust. Paul hatte Dienst. Auch Pavel musste arbeiten. Edward fuhr mit Colleen und deren Eltern, die eine Finca auf Mallorca besaßen, für zwei Wochen dorthin.
Als er wieder da war, hatte Paul für Annes Söhne eine Überraschung parat.
«Ich möchte irgendwas mit den Jungs unternehmen!», sagte Paul zu Anne. «Irgendwie habe ich das Gefühl, wir leben hier seit Monaten unter einem Dach, aber machen nie etwas gemeinsam. Was glaubst du, würde ihnen Spaß machen?» Sie hatte keine rechte Idee. Genau genommen war dies einer dieser Tage, wo sie auf Krawall gebürstet war. Bei Wolf hätte sie das gezeigt. Bei Paul aber hielt sie sich zurück, disziplinierte sich. Aber sie wollte nicht immer und ewig die Spielemacherin sein. Warum musste sie immer die guten Einfälle haben? Warum waren Männer immer so wenig kreativ. Das kam ihm viel zu flott über die Lippen: Hast du eine Idee? Ja, gut, es war lieb von ihm, dass er überhaupt darauf kam, allein etwas mit ihren Söhnen zu machen. Aber wäre doch hübsch, wenn ihm selbst etwas einfiele. In Momenten wie diesen dachte sie neuerdings: Noch zwei Jahre Familienleben, noch zwei weitere Jahre Turbulenzen und Aufregungen, und ich bin wie Ebba. Genauso zynisch und frech und egoistisch. War das ihr Weg? War das richtig? Sie hatte doch nun wirklich allen Grund, rundum zufrieden zu sein, fand sie, aber nein, immer gab es etwas, was ihr nicht passte, immer entdeckte sie ein Haar in der Suppe. Ich muss mit Ebba reden, überlegte sie, ich muss sie treffen, endlich einmal wieder, am besten, wenn er mit den Jungs unterwegs ist, sie wird mich schon wieder auf die Schiene setzen, mich, die Undankbare.
Tatsächlich hatte Paul einen Einfall. An seinem freien Mittwochnachmittag fuhr er allein nach Hamburg, und als er zurückkam, hatte er einen Schwung Angeln mitgebracht. Am darauf folgenden Samstag lud er Annes Söhne in sein Auto und machte sich mit ihnen zu einem Ausflug auf, an einen nahe gelegenen, einsamen See. Er liebte diesen Platz. Früher, als noch alles gut war mit Sybille, war er mit ihr oft hierher gefahren, an Sommerabenden, nach dem die Praxis geschlossen war, nur er und sie, und sie hatten sich am Ufer ausgezogen und waren nackt im Wasser geschwommen, und manchmal hatten sie sich geliebt. Die sonst so kühle Sybille war eine leidenschaftliche Frau beim Sex gewesen, nie hätte er sich vorstellen können, dass sie es eines Tages mit einer Frau treiben würde. Sie war immer so vollkommen auf ihn eingegangen, der Sex mit ihr war immer wieder überraschend gewesen, ganz anders als mit Anne, der zarten, abwartenden, romantischen.
Es war ein frischer, windiger, nicht zu warmer Tag. Die vier hatten alle kurze Hosen an, und Anglerhüte, und sie standen im dicken Gras am Rand des Sees, dort wo er nicht von Schilf zugewachsen war. Paul zeigte ihnen, wie man den Wurm am Haken befestigt, wie man die Leine auswirft, wie man ruhig verharrt und wie man sie dann, wenn sie ruckt und ein Fisch angebissen hat, langsam einholt; mit einer Mischung aus Nachgeben und Ziehen, bis endlich der Fang vor einem in der Luft zappelt. Das Schwierigste war nicht das Angeln selbst, oder den Fisch vorsichtig vom Haken zu nehmen. Das Schwierigste war, ihn zu töten, indem man ihn am Schwanz packt und kurz und kräftig an jener Stelle auf einen Stein schlägt, wo der Kopf in den Körper übergeht. Dieses Genickbrechen in Sekundenbruchteilen war etwas, was selbst ihm, der früher so oft angeln gegangen war, noch heute schwer fiel. Luis tickte völlig aus. Edward, der Älteste, der Analytische, war am zaghaftesten. Pavel hingegen machte es am besten, besser noch als Paul. Er lernte schnell und er holte eine Menge Fische aus dem Wasser. Einen ganzen Blecheimer voll hatten sie bereits zur Mittagsstunde, als die Sonne um die Ecke, um die Bäume am Seeufer herum gewandert kam und die Luft heiß werden ließ.
Während sie so dastanden, ohne viel zu reden, dachte Paul: Das hätte ich schon längst mal tun sollen, etwas mit den Jungs unternehmen. Er blickte zur Seite. Wie die Orgelpfeifen, fand er. Fast ein bisschen stolz war er: Sind doch auch meine Söhne, ein wenig zumindest, sind es im Laufe der
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