Die Albertis: Roman (German Edition)
du gehst jetzt ein bisschen weit, Liebes.»
«Lass mal, Paul, danke.» Edward winkte ab. Dann fuhr er fort: «Was ich die ganze Zeit über schon sagen wollte, ist Folgendes: Ebba hat mir vorgeschlagen, dass ich bei ihr in der Bank ein Praktikum machen kann. Sie sagt, Theorie sei nichts für mich.»
«So, sagt sie das.»
«Und sie sagt, nach dem Praktikum hat sie eine Lehrstelle für mich, also: einen Ausbildungsplatz. Zum Bankkaufmann. Sie findet, ich sei perfekt für so einen Job.»
«Aha, das findet also Ebba.»
«Bei ihr in der Bank?», hakte Paul nach. «Eine Ausbildung?»
«Nein, das findet sie nicht so gut, weil wir uns ja ...», er zögerte kurz, «... kennen. Sie meinte, bei einer anderen Bank. In Hamburg natürlich. Sie hat da Super-Connections. Ist doch geil, oder?»
«Hmmm», brummte Anne. Eigentlich hatte sie sich fest vorgenommen, sauer zu sein. Sie wusste nicht wirklich warum, aber sie hatte ein Gefühl, es gäbe genug Grund, sauer zu sein und endlich einmal hart durchzugreifen. Aber nun nahm er ihr irgendwie den Wind aus den Segeln. Bankkaufmann. Praktikum bei Ebbas Privatbank, Ausbildungsplatz. Nicht schlecht. Hätte sie eigentlich schon längst drauf kommen können.
«Und wisst ihr, was das Beste ist? Ich kann bei ihr wohnen. Die Studentin, die im Souterrain wohnt, zieht zum ersten Oktober aus. Was sagt ihr nun?»
Tja, dachte Anne, dann hat er ja wieder ein neues Nest gefunden. Aber okay, wenn Ebba das so vorgeschlagen hatte, so mir nichts, dir nichts, aus heiterem Himmel, sie wird es sich ja gut überlegt haben.
Sie hatte es sich gut überlegt. In der letzten Oktoberwoche zog Edward aus. Ohnehin war er in den vergangenen Wochen fast mehr bei Ebba gewesen als zu Hause. Anne wunderte sich ein wenig darüber, wusste aber nicht recht, was sie dazu sagen sollte. Anfang November würde sein sechswöchiges Praktikum beginnen. Und einen Ausbildungsplatz zum Jahresbeginn hatte Ebba auch für ihn ergattert, ganz wie versprochen. Anne telefonierte ein paar Mal mit ihr wegen dieser Geschichte, hakte nach, meldete Zweifel an, warnte ihre Freundin vor ihrem anspruchsvollen Sohn.
Doch Ebba blieb dabei. «Ich möchte das gerne für euch tun!», sagte sie nur kurz und bündig.
Anne half Edward beim Umzug. Die meisten seiner Möbel wollte er in seinem Studio unter dem Dach stehen lassen. Es war, als wolle er ein Pfand zurücklassen, eine Rückversicherung.
Luis hatte beim Abschied am Gartentor gestanden und geheult. Pauls Töchter hatten ihm ein Foto von sich, das sie in einem von Laura gebastelten Rahmen gesteckt hatten, geschenkt, damit er sie nicht vergessen würde, wie sie sagten. Pavel hatte am Morgen, bevor er zur Eisenbahn gelaufen war, um zur Arbeit zu fahren, verkündet, auch er würde Anfang des kommenden Jahres, wenn seine Lehre beendet sei, ausziehen. Ja, es wurde langsam leer in Pauls schönem, großem Haus, schneller, als Anne und er gedacht hatten.
Ebba hatte sich für den Tag der Ankunft freigenommen. Als Anne sie aus der Haustür kommen sah, war sie verblüfft: Ebba hatte sich die Haare abschneiden lassen. Sie trug sie jetzt kurz und mit Gel nach hinten gestrichen. Es machte sie jünger, veränderte sie aber auch sehr. Für ihre Verhältnisse sah sie lässig aus, beinahe nachlässig, Ebba hatte alte Jeans an und einen lindgrünen Kaschmirpullover mit V-Ausschnitt. Sie hatte kein einziges Stück Schmuck angelegt und war ungeschminkt.
Aber sie strahlte: «Herzlich Willkommen!», sagte sie und breitete die Arme aus, als kehre ein verlorener Sohn endlich nach Hause zurück.
Der Kram war schnell ausgeladen. Edward zeigte Anne sein neues Zuhause. Sie gingen zusammen mit Ebba die schmale Treppe ins Souterrain hinunter, durch einen Flur, von dem kleine Kellerräume abgingen, in einen großen, hellen, mit neuem Teppichboden ausgelegten Raum, der bodentiefe Fenster und eine Terrassentür hatte, sie gaben den Blick frei auf den großen Garten, der hinabführte zum Kanal. Es gab Einbauschränke, eine Kitchenette hinter einer klappbaren Tür mit weißen Holzlammellen, ein breites, gemütliches, amerikanisches Sofa mit Rosenstoff bezogen und einen Schreibtisch, der in ein Bücherregal eingebaut war. Das angrenzende Bad war klein, aber perfekt ausgestattet. Am auffälligsten war das Bett. Anne erinnerte sich daran, dass Ebba ihr einmal davon erzählt hatte, gesehen hatte sie es noch nie. Es stammte aus Spanien, aus dem i6. Jahrhundert, und hatte vier Pfosten aus nachtschwarzem Eichenholz. Das
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