Die Albertis: Roman (German Edition)
wieder kamen sie dabei vom Thema ab und sahen sich an, schweigend, als suche jeder beim anderen die Antwort auf die Frage: ist das wirklich wahr? Dann ließen sie das Frühstück Frühstück sein und liebten sich wieder. Am frühen Nachmittag – sie hatten die ganze Zeit über im Bett zugebracht – wehte Ebba kurz die Sehnsucht nach ihrem Staubsauger an, aber dann sagte sie sich: Ebba, du bist bekloppt, nimm dich zusammen! Dieser Junge ist ein Geschenk Gottes, er ist klug und hübsch und geil, und er legt dir sein Leben zu Füßen, und du willst ihn raussaugen. Schluss. Ändere dich. Genieße ihn. Mach was draus!
Und das tat sie. Auf dem Weg nach Hause erlaubte sie ihm, ihren Porsche zu fahren, und machte ihm einen großartigen Vorschlag. Schon lange hatte er sich nicht mehr so gut gefühlt. Jaaa! So muss es sein! Neben dir sitzt die geilste Frau der Welt und sie will dich! Denk nicht zu lange nach, sonst überlegt sie es sich noch anders. Besser kann es gar nicht kommen. Sag ja!
Und das tat er. Als sie vor Pauls Villa hielten, stellte er den Motor ab, sah sie an und lächelte: «Okay! Ich bin dabei.» Er streckte ihr die Hand entgegen, sie nahm sie und er zog sie zu sich heran und küsste sie.
«Wenn das die Mama sieht!», meinte Ebba atemlos.
Es regnete noch immer. Cats and dogs, sagen die Engländer. Bindfäden heißt es bei uns, oder: in Strömen. Alles passte. Der Regen prasselte auf das Autodach, er prasselte auf die Straße, auf den Gehweg. Es goss, es schüttete, es schiffte. Der Regen bildete Pfützen und Bäche, er ließ die ersten Blätter, die von den Bäumen gefallen waren, sich wie Kinderkarusselle drehen, riss sie mit in schmalen, schmutzigen Flüssen, bis hin zu den Sielen, die überquollen und auf deren Gittern und Deckeln sich kleine Seen formten. Die Bäume beugten sich unter seinem Beschuss, die Erde wurde weich, die letzten Herbstblumen knickten ab, sanken zu Boden. Schwarz war der Himmel, kein Vogel sang mehr es gab kein Geräusch mehr außer dem gleichförmigen Prasseln, Patschen, Schmatzen, Gurgeln.
Die Scheiben des Autos beschlugen. Ebba machte die Klimaanlage an. Sie drückte den Knopf des Zigarettenanzünders ein, nahm aus dem Ablagefach ein Päckchen Zigaretten, zog zwei heraus, steckte sie in den Mund und zündete sie an. Sie reichte eine zu Edward hinüber, der das Lenkrad umfasst hielt, als wolle er das Steuer nicht aus der Hand geben.
«Ich rauche doch nicht!»
«Okay. Dann höre ich auch auf. Ab heute!», erwiderte Ebba, ließ die Fensterscheibe herunter und warf die Zigaretten in hohem Bogen hinaus. «Gott! Die Sintflut!» Schnell ließ sie die Scheibe wieder hochsurren.
«Willst du mit rein, Ebba?»
«Bin ich Masochistin?», fragte sie zurück. «Bis ich im Haus bin, sind meine Klamotten bis auf die Haut nass ...»
«Stelle ich mir geil vor!»
«Und was soll ich dann bei euch? Deiner Mutter alles beichten? Nein, nein, ich fahre zurück. Grüß sie einfach von mir.»
Er nickte.
«Wirst du es ihr sagen?», hakte sie nach.
«Sollte ich?»
«Nein.»
«Dann mach ich's auch nicht.»
Freundschaft kommt ohne ein gewisses Maß an Unaufrichtigkeit nicht aus. Zwischen Ebba und Anne war das normalerweise anders. Ebba hielt Offenheit für das Öl im Getriebe in ihrer Beziehung. Doch in diesem Fall, und das zum ersten Mal, war sie überzeugt davon, dass eine kleine Lüge nicht schadete, im Gegenteil. Die Affäre zwischen ihr und Edward musste ein Geheimnis bleiben. Zu gut kannte sie Anne, um nicht zu wissen, was passieren würde, wenn ihre Freundin davon erführe.
Edward küsste Ebba, öffnete die Tür, sprang aus dem Wagen, lief um ihn herum, während er seine Anzugjacke auszog. Als Ebba ausstieg, hielt er ihr die Jacke wie einen Schirm über den Kopf und begleitete sie um das Auto und wartete, bis sie auf dem Fahrersitz saß.
«Du bist süß, Edward.»
«Es war klasse, Ebba. Danke.» Er knallte die Tür zu. Sie startete und raste davon. Edward sah ihr nach und ging dann ins Haus. Seine nasse Jacke hängte er in der Garderobe auf einen Bügel, dann trat er ins Wohnzimmer, um sich bei seiner Mutter zurückzumelden. Sie war nicht dort. Er suchte sie und fand Anne zusammen mit Paul in der Praxis. Er saß hinter dem Empfangstresen am Computer und arbeitete. Edwards Mutter hatte es sich auf dem antiken Sessel neben der Eingangstür gemütlich gemacht, sie trug einen Jogginganzug, hatte die Füße auf einen Holzhocker gelegt und blätterte in einer medizinischen
Weitere Kostenlose Bücher