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Die Albertis: Roman (German Edition)

Die Albertis: Roman (German Edition)

Titel: Die Albertis: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Pfannenschmidt
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antworten, wischte er sich mit der Hand über die Augen und schmierte sich Erdkrumen ins Gesicht.
    «Du weinst doch!» Wie einem kleinen Jungen strich sie ihm die Erde von der Wange und der Stirn.
    «Quatsch!»
    «Paul! Warum sagst du nicht, was los ist mit dir?»
    «Ach, weißt du, Anne: Ich habe manchmal einen Scheißjob. Sieben Tage die Woche und zwar von morgens um sechs bis Mitternacht bin ich für meine Patienten da, sie sind manchmal wie Hyänen. Sie respektieren weder, wenn ich die Praxis dicht habe, noch irgendeine Art von Privatleben bei mir. Sie rufen an, wann sie wollen, klingeln Tag und Nacht Sturm an der Tür, tauchen im Garten auf ... besonders an Sonntagen wie heute oder Feiertagen, zweiter Weihnachtstag und so, wenn die Langeweile zu groß wird und ihnen nichts mehr einfällt als ihre Zipperlein. Ein Hausarzt ist ja auch ein Psychiater, ein Lebensberater, ein Freund ...»
    «Das liegt nun aber auch an dir.»
    «Manchmal hängt mir das alles zum Hals raus. Und glaub bloß nicht, dass Sybille einen Millimeter Verständnis hat. Die will bloß, dass die Patientenkartei schön groß ist und ich viel verdiene, damit, na ja ...»
    «Treffen sich zwei Missverstandene im Wald ...»
    «Vielleicht bin ich auch in der Midlife-Crisis. Könnte ja sein: Vierzig.» Er machte eine Pause, hielt seinen Zeigefinger ins Wasser. «Vorhin hab ich einen alten Patienten von mir ... Bauer Merk ... vom Balken seiner Scheune geknüpft. Erst die Schlinge vom Hals eines Menschen. Und jetzt das hier.»
    «Wie schrecklich! Tot?»
    Er nickte. «Ich hasse das! Selbstmord!»
    «Das kann man doch so nicht sagen. Wenn man so weit ist, dass man keinen Ausweg mehr weiß ... Opfer der Umstände ist ... das Leben einem derart zur Last wird ...»
    «Opfer, tja ... Und Täter! Denk mal an die, die zurückbleiben.»
    «Vielleicht darf man das gar nicht so sentimental betrachten. Jeder muss mal sterben. Jeder bestimmt doch, irgendwie, den Zeitpunkt seines Todes selber. Ich hatte mal einen Freund, der hat immer gesagt, er sei ein ‹fröhlicher Bejaher des Selbstmordes› ... klingt vielleicht zynisch, aber: Ist auch eine Betrachtungsweise, oder?»
    Er antwortete nicht sofort. Eine Weile schwieg er, schien nachzudenken. Anne hatte das Gefühl, sie hatte das Falsche gesagt, ihr selber kam ihre Äußerung jetzt albern und oberflächlich vor: An diese Sätze würde sie sich später immer wieder erinnern und dafür schämen, das kannte sie schon von sich.
    «Mein Vater hat sich aufgehängt.»
    Es war auf einmal vollkommen still im Wald. Selbst der Bach schien aufgehört zu haben zu fließen.
    «Er war Morphinist.» Bitter lachte er auf. «Er war sein bester Patient. Saß ja an der Quelle. Hat sich damit in den Ruin getrieben. Uns. Ich habe ihn gefunden. Bei uns auf dem Dachboden. Du weißt ja: ich war kaum neunzehn.»
    Sie war verblüfft, erschrocken, peinlich berührt, antwortete langsam, als müsse sie die Worte erst noch suchen: «Das ... hast du ... uns nie erzählt. Ich meine ... weiß Wolf das?»
    Paul schüttelte den Kopf und senkte den Blick. «Du bist die Erste. Nicht einmal Sybille ...»
    «Hör auf!»
    «Doch.»
    «Deine eigene Frau: weiß das nicht?»
    «Nein.»
    «Aber: warum?»
    Er zuckte mit den Schultern. «Keine Ahnung ... damals war das zwischen mir und Wolf nicht so eng. Und danach: Ich habe es vollständig verdrängt. Meine Mutter und ich haben es – totgeschwiegen», murmelte er. «Und bitte rede du auch nicht drüber.» Es klang wie ein Befehl, nicht wie eine Bitte.
    «Okay.» Sie fühlte sich ihm plötzlich ganz nah. Er hatte ihr ein Geheimnis anvertraut. Sein Geheimnis. Ihr. Nur ihr. Sie spürte, dass sie ihm etwas bedeutete, dass sie ihm wichtig war. Eine Art Stolz stieg in ihr auf, Wärme, Rührung.
    Er guckte immer noch zu Boden und redete dann weiter, sehr leise, fast unhörbar: «Und im Übrigen liebe ich dich.»
    «Was?», stieß sie hervor. «Was hast du gesagt?»

KAPITEL 3
    Das sechste Gebot
    Was hast du gesagt?», wiederholte Anne und versuchte, ihre Verwirrung hinter einem Lachen zu verbergen. «Du liebst mich?»
    Er hob den Kopf. Dann beugte er sich vor, umfasste mit den Händen ihre Schultern, zog sie zu sich heran und küsste sie auf den Mund. Sie schloss die Augen. Sie wehrte sich nicht. Zart fuhr er mit der Spitze seiner Zunge über ihre Lippen, verstärkte den Druck, versuchte, sie zu öffnen. Anne ging mit dem Kopf zurück, umklammerte seine Handgelenke und löste sich aus seiner Umarmung.
    «Paul!», sagte

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