Die Albertis: Roman (German Edition)
Madeira und in die Toskana …«
»Ein bisschen arg ruhig, nicht? Das klingt so nach Rente und Parkbank in der Sonne und Sahnetorte am Sonntag, Punkt fünfzehn Uhr. Und dass du zuerst meine niedlichen Zimmerchen, dann die Reisen und mich schließlich nur am Rande erwähnst, stimmt mich recht nachdenklich. Ich weiß zwar, dass ich die Männer nicht gerade zu Leidenschaftsstürmen hinreiße. Auch bin ich kein Typ, dem sie, mit Schaum vor dem Mund, nachjagen und rote Rosen ins Haus schicken. Deshalb pflanze ich sie mir ja auch selber – die roten Rosen meine ich.« Sie lachte schroff. »Aber ein bisschen mehr Romantik wäre schon angebracht. Und eine Brise frischer Wind täte vielleicht auch dir ganz gut. Und die Kinder bringen frischen Wind, du wirst schon sehen.«
»Ich? Ich werde kaum etwas sehen. Ich wurde schließlich nicht Vater. Deine leichtfertige Entscheidung hast du schon selbst zu tragen.« Er trank einen Schluck Bier und starrte sie bitter an. Nun waren seine Augen tatsächlich so hell, wie sie schon nachmittags befürchtet hatte.
»Oh … also auch heute kein Heiratsantrag, mein lieber Hubert«, sagte sie in einem plötzlichen Anflug von Mut. »Trotz meines reizenden Häuschens mit den praktischen Umbaumöglichkeiten. Nun gut. Dann ist die nette Judith also ledige Mutter. Macht auch nichts. Ich wollte schon immer ein wenig anrüchig sein. Schließlich war ich noch nie in meinem Leben so richtig anrüchig, von meinem österreichischen Skilehrer mal abgesehen. Immer nur dusslig, brav und bieder. Und heiraten wollte ich sowieso nie. Schon gar nicht einen Mann, der mich vorzeitig zur alten Frau macht und obendrein kinderfeindlich ist.« Sie stand auf.
»Herzlichen Dank für das köstliche Abendessen. Und achte darauf, dass du nicht wieder alle Leute anpöbelst und unflätige Lieder singst nach diesem rauschenden Fest. Ein kleines Bier in nur eineinhalb Stunden …Ts, ts. Wirklich, Hubert, sehr exzessiv und höchst verwerflich. Du wirst doch nicht als Penner im Englischen Garten enden? Bei deinem Lebenswandel!«
Sie blickte ihn zornig an und verspürte einen kleinen, scharfen Stich in der Magengrube. Im Grunde hatte sie ja doch gehofft … Ach, was. Sollte Hubert doch zum Teufel gehen! Sollten alle Männer zum Teufel gehen! Sahen in ihr nur den praktischen Trenchcoat! Und bemerkten nicht das Sonntagsausgehkleid darunter. Typisch!
Als sie kurze Zeit später ihr kleines Auto parkte, sah sie, dass bei Lilli Licht brannte.
»Lilli?« Judith klopfte gegen eine Scheibe.
»Kannst du dir nicht angewöhnen zu klingeln?«, fragte Lilli missbilligend.
»Aber Lilli. Wenn du eh’ hinter der Gardine stehst und neugierig bist.«
»Ich stehe nicht und bin neugierig. Ich habe den Mond bewundert. Heute Nacht ist Vollmond.«
»Du hast plötzlich romantische Anwandlungen? Das glaubst du doch selbst nicht. Ich sah Nachbar Petersen gerade aus seiner Stammkneipe wanken. Könnte das vielleicht der Grund sein für deine Mondsüchtigkeit?«
»Ich mache mir gar nichts aus Herrn Petersen«, antwortete Lilli eisig. »Und wieso sollte ich nicht das Recht haben, romantisch zu sein.«
»Das Recht hast du ja.« Judith lachte. »Aber nicht die Gabe dazu. Du bist die realistischste Person, die ich kenne, und ich kenne eine Menge Leute. Der Mond ist dir ziemlich schnuppe. Es sei denn, du könntest damit irgendwelche Herzensbekenntnisse aus armen Junggesellen herauslocken. Dann muss er natürlich schnell mal herhalten, der gute Mond. Stimmt’s?«
»Komm endlich rein.«
Judith folgte ihrer Mutter, die genauso aufrecht ging wie Hubert.
»Lilli? Hast du auch Nachricht erhalten?«
»Als ich heute Abend nach Hause kam, fand ich den Brief.«
»Wir haben’s geschafft! Ist das nicht herrlich?«
»Du hast es geschafft«, meinte Lilli unbehaglich. »Du weißt, ich bin nicht oft mit Hubert einer Meinung. Aber dieses Mal, glaube ich, hat er recht.«
»Lilli! Du bist die Großmutter! Wie redest du denn?«
»Ich habe getan, was du wolltest. Ich habe die Vormundschaft beantragt, ich habe versucht, den Behörden zu beweisen, dass ich weder senil noch hinfällig und daher durchaus in der Lage bin, vernünftige Entscheidungen zu treffen, und betont, dass wir zusammen in einem Haus leben und es den Kindern an nichts fehlen wird, obwohl du unverheiratet bist. Und ich habe verschwiegen, dass ich eigentlich keinerlei großmütterliche Gefühle verspüre. Aber nun ist Schluss. Ich will mein Leben noch ein bisschen genießen. Und nicht drei Kinder
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