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Die Albertis: Roman (German Edition)

Die Albertis: Roman (German Edition)

Titel: Die Albertis: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Pfannenschmidt
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es an ihrer eigenen naiven Art, dachte Anne, ihrer Gutgläubigkeit, ihrer Arglosigkeit? Sich verstellen, das konnte sie nicht, hatte sie nie gekonnt. Sie musste einfach immer sagen, was ihr nicht gefiel, sie musste einfach zeigen, wie ihr zumute war. Dir steht alles immer ins Gesicht geschrieben!, war Ebbas Standardspruch, jeder kann lesen, was darin steht. Und das stimmte. Sie war ein offener Mensch, und oft genug hatte ihr selber das am meisten geschadet. Bei diesem Gedanken durchzuckte es sie. Wenn Wolf das wüsste! Wenn Sybille das erfahren würde! Dass sie vor einer knappen Stunde mit Paul geschlafen hatte, mitten am Tag, im Wald. Sie, die verheiratete Frau, mit dem besten Freund ihres Mannes! Um Himmels willen! Wie konnte das passieren? Das durfte nicht sein. Was sollte daraus werden? Sie wurde rot.
    «Von mir aus kann es losgehen!», meinte Wolf stolz und legte die ersten sechs Steaks auf einen runden Porzellanteller. Er drehte sich nach hinten um. «Pavel!» Anne wunderte sich jedes Mal aufs Neue darüber, wie laut er schreien konnte. «Anuschka!»
    Keine fünf Minuten später waren alle bis auf Paul um den Tisch herum versammelt. Sybille hatte von ihrer Freundin Ruth selbst eingelegtes saures Gemüse und dazu im Ofen gebackene Kartoffeln aufgetragen, verschiedene Soßen und Chutneys, den von Anne und Wolf mitgebrachten Champagner und das Schokoladenmousse als Dessert. Gierig füllten sich die Kinder ihre Teller. Schaufelten Salat, brachen Brot, kippten sich Ketchup auf das Fleisch, tranken Cola. Es war, als würden Raubtiere gefüttert. Wolf, der Ernährer, ging zufrieden zum Grill zurück und legte Würstchen nach und marinierte Hühnerbrüste.
    «Ich nehm noch ein Steak!», rief Luis mit vollem Mund.
    Anuschka guckte ihn ärgerlich an, während sie ein Salatblatt aufspießte. «Wie kann man nur Tierfleisch essen!», bemerkte sie spitz. «Fröhliches BSE!»
    «Sie ist gerade Vegetarierin!», erklärte Sybille lakonisch
     «Ich bin nicht gerade Vegetarierin!»
    «Aber du isst kein Fleisch.»
    «Weil es widerlich ist.»
    Sybille machte eine rechthaberische Geste. «Also!»
    «Es! Ist! Keine Phase!»
    «Von mir aus.»
    «Nimm das doch mal ernst! Es ist völlig krass, ja? ... was mit den Tieren in unserer Gesellschaft passiert. Wie sie gehalten werden. Wie sie gekillt werden ... möchte mal wissen, wie ihr euch fühlt, wenn man euch auf engstem Raum zusammenpfercht ... Aber bei euch hat die Gehirnerweichung ja längst eingesetzt!»
    Anne mischte sich ein: «Anuschka? Darf ich dich um etwas bitten?», fragte sie mit leiser Stimme.
    «Ja?» Sie zog die Augenbraue hoch, wie es nur Siebzehnjährige tun können, die vollkommen davon überzeugt sind, dem Rest der Welt moralisch überlegen zu sein.
    Ganz die Mutter , dachte Anne. «Verdirb uns nicht den Appetit!»
    «Und sag vor allem nicht immer Tierfleisch!», schimpfte Sybille.
    «Es ist Tierfleisch.»
    Pavel, der bisher kaum etwas gesagt hatte, machte sich genervt bemerkbar: «Ekelhaft! Könnte kotzen.»
    «Eben, Pavel», sagte Anuschka und trank ihr Glas Wasser aus. «Es gibt sogar Leute, die Pferde-Tierfleisch essen.»
    «Mima!», rief Laura entsetzt aus. Sie liebte Pferde über alles und starrte ihre Mutter in der Hoffnung an, sie würde Anuschka widersprechen. Niemand konnte Pferdefleisch essen! Pferdefleisch war wie Hundefleisch, wie Katzenfleisch, wie ...
    «Frag mal Ruth!» Anuschka goss sich seelenruhig Wasser nach. «Was die dazu meint.»
    Sybille schlug mit der Hand auf den Tisch: «Lass bitte Ruth aus der Diskussion raus. Schluss jetzt mit diesem Thema. Wem das Abendessen nicht passt, der darf gerne gehen.»
    «Ich will lieber 'ne Wurst!», quietschte Luis bösartig vergnügt, sprang auf, nahm den leeren Teller und ging zu seinem Vater.
    In diesem Moment erschien Paul. Er hatte sich umgezogen, trug nun Jeans und ein kariertes amerikanisches Hemd. Bevor er sich setzte, stellte er eine Flasche Rotwein auf den Tisch. «Tut mir Leid, ich bin zu spät. Jemand Wein?» Er sah in die Runde.
    «Unbedingt!», rief Wolf.
    «Gerne!», erklärte Sybille.
    Paul warf Wolf ein Päckchen mit Schlaftabletten zu, die sein Freund auffing.
    «Hatte ich doch vergessen, letztes Wochenende ...»
    «Danke, Paul!» Wolf steckte sie in die Hosentasche.
    Paul füllte die Gläser. Sein Blick blieb an Anne hängen. Ihr Herz schlug schneller. Sie konnte nicht weiteressen, vergaß, herunterzuschlucken, umklammerte ihre Gabel.
    Luis kehrte mit seinem gefüllten Teller zurück. «Was

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