Die Albertis: Roman (German Edition)
es tue.»
«Niemals!» Sie hatte ihren Zitronenmund gemacht und in ihren Blick Abwehr und Verachtung gegossen. «Mozart, pphh ...»
«Darauf wette ich.»
«Ich wette nicht, Paul. Schon gar nicht bei einem solchen Thema.»
«Wo ich doch so gerne wette! Schade.» Er hatte ihre Hand gestreichelt. «Noch etwas, das uns trennt.»
«Und so verbunden sein lässt.»
«Und so begehrenswert macht.» Der Abend war glücklich zu Ende gegangen.
Das Überschreiten von Verboten stärkt den Mut, aber es schwächt die Vernunft. Man verliert das Gefühl für die Gefahr, den Blick für das richtige Maß. Anfangs waren ihr die Stunden in der Pension peinlich gewesen, dann sehnte Anne sie herbei. Lagen in den ersten Wochen noch die Schatten der Angst und der Skrupel über ihren Begegnungen, schwebten Anne und Paul jetzt auf und davon, weit weg von Verantwortung und Verpflichtung, von ihren Partnern, ihren Kindern. Sie wollten nicht mehr darüber reden oder diskutieren, dass sie Betrug und Verrat begingen, sie wollten ihre gemeinsame Zeit genießen, ohne jede Einschränkung. Der Egoismus hatte gesiegt, der Egoismus und die Liebe.
Das Schicksal schließlich bereitete ihnen ein bequemes Bett. Bei einem Spaziergang entlang der Elbe, an einem grauen, windigen Herbsttag, als das Wasser hoch stand und das Laub wirbelte, blieb Paul auf einmal stehen und zog aus seiner Kordjacke zwei Flugtickets.
«Hör zu, Anne», sagte er feierlich. «Sybille fährt mit Ruth und den Mädchen für zehn Tage nach Sylt. Zur selben Zeit, wenn Wolf auf der Buchmesse in Frankfurt ist. Ich habe alles bereits geplant. Meine Praxis bleibt für eine Woche geschlossen. Du und ich fliegen nach Neapel. Von dort geht es rüber nach Capri. Da warst du noch nie. Und ich wollte dich ...», er schmunzelte, «heranführen an diese Insel.»
«Das hast du alles geplant. Einfach so. Ohne mich zu fragen.» Anne konnte ihre Verwirrung nur schwer unterdrücken. «Ich wollte dich überraschen.»
«Das ist dir gelungen.» Normalerweise hätte Anne widersprochen. Sich gewehrt, aufgelehnt, abgesagt. Doch in diesem Moment wollte sie nichts sehnlicher als mit Paul abhauen, weit weg nach Italien, nach Capri, dem Inbegriff von Romantik. Sie wollte, dass dieses Märchen wahr würde. Ein Märchen ohne böse Stiefmütter, Hexen, Zauberer, ohne Flüche und Gift, ohne bittere Drehungen und Wendungen, ein Märchen, in dem es nur sie gab, das Aschenputtel, und ihn, den schönen Prinzen.
Sie umarmte Paul und flüsterte ihm ins Ohr, wie sehr sie sich freuen würde. Paul war erstaunt, denn er hatte damit gerechnet, dass er sie mühselig überreden müsste.
«Wo ist die Kutsche?», fragte sie.
«Geduld!», antwortete er.
Am Tag darauf kam Ebba vorbei. Sie war in den Aufsichtsrat einer Modefirma berufen worden und hatte Bombenlaune. Das brachte ihr zwar kein Vermögen ein, aber Reputation, und es machte ihr Spaß, hielt sie sich doch für eine Expertin in Sachen Mode. An diesem Abend trug sie einen grauen Hosenanzug, sie strahlte diese lässige Arroganz aus, die Anne an ihr liebte und zugleich auch ein wenig fürchtete. Luis saß neben Ebba am Küchentisch und lauschte dem Gespräch der Frauen, während Anne am Waschbecken stand und Salat für das Abendessen putzte.
«Nee, danke, für mich nur 'n Wasser, ich habe heute Mittag schon so viel Wein getrunken, Mann, war das ein anstrengender Tag. Aber klasse! Alles läuft im Moment perfekt.» Ebba besah sich ihre linke Hand und drehte den Zweikaräter hin und her. «Vielleicht später. Was gibt's denn?»
«Das ist ja ganz was Neues. Luis, gib Ebba ein Wasser.» Luis guckte doof.
«Speisekammer.»
«Habt ihr kein kaltes?»
«Kühlschrank.»
Er stand zeitlupenlangsam auf, schlich in Zentimeterschritten zum Kühlschrank, öffnete ihn tempolos, als sei beides, die Tür und sein Arm, eingefroren. Ebba sah ihm staunend zu.
«Ist sein neuster Tick!», erklärte Anne und drehte die Kurbel der Salatschleuder. «Er hat im Fernsehen ‹Die Körperfresser kommen› gesehen. Seit vorgestern denkt er, er sei ein Körperfresser.»
«Ach du Schande.»
Anne nahm den gelben Plastikdeckel von der Schleuder ab und schüttelte den Salat in eine große Glasschüssel. «Ich hatte gedacht, weil du ja gerne Spaghetti magst.» Sie griff nach dem Holzlöffel und rührte damit die Tomatensoße um, die dick blubbernd in einem Kupfertopf auf dem Herd kochte, «Pasta mit Sugo al pomodoro ...»
«Köstlich! Luis, ich bitte dich! Bist du beknackt? Soll ich aus der
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