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Die Albertis: Roman (German Edition)

Die Albertis: Roman (German Edition)

Titel: Die Albertis: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Pfannenschmidt
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ersten Wein. In der Nacht, die sie in der Wohnung einer entfernten Verwandten auf einem Schlafsofa verbrachten, hatten sie kaum geschlafen, sondern noch einmal die Oper Revue passieren lassen. Am nächsten Morgen ging es zurück, wiederum in Abendgarderobe, denn außer Wäsche hatten sie nichts zum Wechseln dabei. Sie mussten ein komisches Paar abgegeben haben, die Alte und das Mädchen. Fortan waren sie eine eingeschworene Gemeinschaft gewesen, die alljährlich einen Teil des «Rings» besuchte und hörte. Jahr für Jahr. Dann sollten «Die Meistersinger von Nürnberg» an der Reihe sein, aber als es so weit war, die Karten bestellt, die Reise geplant, die Garderobe ausgewählt, starb ihre Großmutter. Später, als Jugendliche, war Anne dann allein in die Oper gegangen, sie kannte alles von Wagner. Und jedes Mal musste sie zärtlich an ihre Großmutter denken, und es beschlich sie der sentimentale Gedanke, wie gerne sie doch, wenn sie genügend Geld gehabt hätte, eine zweite Karte gekauft hätte, den Platz neben sich frei gelassen hätte, für sie, die eigenwillige Mutter ihres Vaters, die ihr Leben lang nur eine Leidenschaft gekannt und sie an Anne weitergegeben hatte: Wagner.
    Für Paul war der Opernbesuch ein Opfer, das er seiner Geliebten brachte. Er neigte zur Ungeduld. Andacht war ihm fremd. «Vier Stunden düstere Gesänge und zentnerschwere Musik und eine kitschige Liebesgeschichte, die in den Abgrund führt: nichts für mich!»
    Anne hatte ihm geantwortet: «Man muss an alles mal herangeführt werden!»
    Nach der Aufführung fühlte er sich in seinem Vorurteil bestätigt. Sie war traurig. Die beiden hatten ihren ersten kleinen Streit. Anne wünschte sich endlich jemanden zu haben, der alles mit ihr teilte, auch ihre Empfindungen und ihren Geschmack. Das war Liebe für sie: Dass man dasselbe wollte und dasselbe fühlte. Paul bezeichnete das als Unsinn. Er glaubte, dass Liebe sich aus Gegensätzen und Widerspruch entwickelte, weil, wie er behauptete, nur in der Individualität der Reiz liege, den anderen attraktiv und begehrenswert zu finden.
    «Quatsch!», hatte Anne erklärt. «Liebe ist die vollkommene Harmonie.»
    «Dann soll ich sein wie du, und du wie ich? Langweilig, Anne. Und auch ganz unmöglich. Wo gibt's denn so was?»
    «Bei der großen Liebe.»
    «Aber Liebe ist doch etwas Bewegliches, etwas Filigranes. Gefühle ändern sich, Stimmungen schwanken.»
    «Na, das sind ja schöne Aussichten, Paul. Was willst du mir denn damit sagen? Dass deine ... Zuneigung für mich ...»
    Er hatte ihre Hand genommen. «Zuneigung?»
    «Deine ... von mir aus: Liebe gerade wieder abflaut?»
    «Das sage ich doch gar nicht! Du drehst mir wirklich jedes Wort im Mund herum. Hab doch keine Angst.»
    «Angst? Ich habe keine Angst! Ich vertrete doch nur die Meinung, dass das große Glück, das man bei der Liebe empfindet, darauf beruht, den Gegensatz aufzuheben ... sich – von mir aus – bei aller Individualität: nah zu kommen, ganz nah zu kommen ... und zu einer Art: Einheit zu werden.»
    «Magst du Mozart?»
    Da hatte sie gelacht, den Kopf geschüttelt und von «österreichischem Zuckerguss» gesprochen. Sie konnte Mozart noch nie ausstehen, ja, sie hatte seine Musik sogar, seit sie damals, im Alter von zehn Jahren, in der Schulaula, vor einem Publikum aus Eltern, Lehrern und Schülern eine Mozartklaviersonate hatte vorspielen müssen: «alla turca »
    Paul hatte ein paar Takte gesummt. «Na, das ist ja auch für ein Kind recht schwierig, nicht wahr?»
    «Deshalb war ich auch so was von lausig! Die größte Niederlage meines Lebens.»
    «Und das lastest du Mozart an?»
    «Das ist Kitsch, Paul. Nicht Richard Wagner!»
    Er hatte ihr erzählt, dass «Cosí fan tutte» seine Lieblingsoper sei, und dass er lange Zeit davon geträumt hatte, Sänger zu werden, nur um die Arie «Un aura amorosa» singen zu können. «Ich gestehe dir eine geheime Leidenschaft: Wenn ich nicht schlafen kann, was leider oft vorkommt ...», er hielt einen Moment inne, «dann höre ich am liebsten Mozart, nachts um zwölf. In meiner Bibliothek, vor dem Kamin, ganz allein, wenn Sybille und die Mädchen im Bett liegen, so laut es geht, das macht mich glücklich, ich könnte weinen, es ist so schwebend und doch so tief geerdet wahr, gefühlvoll, reich. Ich bin dann ein anderer Mensch. Und wenn du von Heranführen sprichst: Ich werde dich an Mozart heranführen. Ich werde dafür sorgen, dass du seine Musik genauso schätzen und genießen wirst, wie ich

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