Die Albertis: Roman (German Edition)
Flasche saufen, oder was? Hol mir ein Glas. Ist genauso faul wie sein Vater, der Bengel.»
Luis wurde plötzlich hektisch. «Papa ist nicht faul. Papa zeichnet Kinderbücher. Und du kannst überhaupt nicht zeichnen.»
«Woher willst du das denn wissen? Meine Gemälde hängen in allen großen Galerien und Museen dieser Welt. Dein Vater macht nur Kinderbücher! Das kann jeder!»
Luis glaubte ihr das natürlich nicht und zeigte ihr einen Vogel. «Und ich bin auch nicht faul!»
Ebba ging darauf nicht ein: «Hör mal Luis: Ich bin groß und du bist klein. Ich bin klug und du bist doof. Ich habe Recht und du nicht. Alles klar? Dann hol mir ein Glas.»
«Hol Ebba bitte ein Glas, Luis. Und dann gehst du und sagst Papa Bescheid und Edward. Wir essen in fünfzehn Minuten.» Anne drehte sich kurz zu ihrer Freundin um, «Pavel hängt noch beim Arzt rum, der kommt sicher spät, ihm ist gestern ein Schweißgerät auf den Fuß geflogen. Der Herr will ja keine Schuhe mit Stahlkappen tragen ...»
«Er ist aber auch eine Pechmarie.» Ebba zitierte ein Wort, das Annes Mutter im Zusammenhang mit Pavel geprägt hatte.
«Jaja, nun rede du auch noch so. Aber er hat wirklich Pech, das stimmt. Das muss sauweh tun.»
«Was gebrochen?»
«Zum Glück nicht.»
Luis stellte Ebba das Glas hin, blieb aber neben ihr stehen und beobachtete, wie sie den Verschluss der Flasche aufdrehte, sich Wasser eingoss und in großen Zügen trank.
«Luis!», ermahnte Anne ihren Sohn. «Was habe ich eben gesagt?»
«Warum muss ich denn immer?»
Ebba antwortete für Anne: «Weil wir dich loswerden wollen.»
Luis ließ sich nicht beirren. Er kannte Ebbas spröden Charme. Er schien ihn zu lieben. «Warum wollt ihr mich loswerden? Habt ihr was Geheimes zu besprechen?» Er legte ein Knie auf den Stuhl neben Ebba.
«Mach's dir gar nicht erst gemütlich!» Ebba schubste Luis' Knie von der Sitzfläche. «Verpiss dich.»
«Gott, Ebba!» Anne goss Balsamico in einen Kaffeebecher.
«Frau Wengeloh hat mich gestern auch weggeschickt. Aber ich weiß, warum. Ihre Schwester ist verrückt geworden.»
«Soso.» Ebba war nicht an der Lebensgeschichte der Nachbarin interessiert.
«Sie häkelt.«
«Dann muss sie verrückt sein.» Ebba stand auf, kam zu Anne. «Brauchst du Hilfe?»
Anne schüttelte den Kopf und ließ blassgrünes Traubenkernöl zu dem Balsamico rinnen.
«Sie häkelt Babykleidung.» Luis drängelte sich zwischen die Frauen. «Sie ist fast siebzig. Und Frau Wengeloh, die ist Witwe, weißt du, und ihre Schwester ist ihr eigen Fleisch und Blut, sagt sie ...»
Ebba umfasste Luis, der nur noch zwei Köpfe kleiner war als sie, an den Hüften, drehte ihn zu sich herum und sah ihn fest an: «Hör zu, junger Mann. Wenn du eine interessante Geschichte zu erzählen hast, erzähl sie. Wenn nicht: Klappe. Frauen hassen Langweiler. Merk dir das gleich mal für die Zukunft.» Sie küsste ihn knallend auf den Mund, so, als wolle sie sich bei ihm entschuldigen.
Mit dem rechten Handrücken wischte sich Luis den Mund ab. «Sie ... also die Schwester ... und deshalb weint Frau Wengeloh, voll krass ... häkelt Babykleidung: Für ihr eigenes Baby!»
«Für ihr eigenes Baby?», riefen Anne und Ebba wie aus einem Mund und starrten Luis an.
Er triumphierte. «Sie denkt, sie sei schwanger. Cool, oder?»
«Das ist allerdings eine interessante Geschichte!», meinte Ebba und tauchte ihren kleinen Finger in den Kaffeebecher, in dem Anne mit Salz und Pfeffer eine Vinaigrette gerührt hatte. «Hmm. Lecker!»
«Und das lässt sie sich auch nicht ausreden. Und letzte Woche halt ... hat ...» Luis war aufgeregt und verhaspelte sich, «... hat sie, sagt Frau Wengeloh zum Doktor Kreusmann, mit dem hat sie nämlich telefoniert, einen Schmelzkäse in die Pfanne gelegt.»
Ebba lachte. «Wie aufregend!»
«Weil sie dachte, es ist Butter. Sie wollte ein Schnitzel braten, sie verwechselt immer alles. Den Telefonhörer mit einer Banane und so. Geil. Die ist total verrückt. Sie denkt, sie kriegt ein Baby.»
Anne versuchte, etwas Ruhe in Luis' Geplapper zu bringen: «Er weiß immer alles. Alles, was im Haus passiert. In der Schule, bei seinen Freunden. Er kommt nach Hause und sagt, die Eltern von dem lassen sich scheiden, der schlägt seine Frau, die betrügt ihren ...» Den Rest des Satzes verschluckte sie. Ebba und Anne sahen sich an. Beide dachten dasselbe.
«Ich wollte ja auch mal Detektiv werden. Aber jetzt nicht mehr.»
«Unser kleiner Stasi-Luis. Wie niedlich!», frotzelte
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