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Die Albertis: Roman (German Edition)

Die Albertis: Roman (German Edition)

Titel: Die Albertis: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Pfannenschmidt
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trinken würde als nur ein Bier. Sie sah den Leuten an, wann sie keine Sorgen hatten oder wann sie mehr zu trinken brauchten als sonst.
    «Vera! Lütt und Lütt!», rief ein Karten spielender Gast aus der Ecke heraus und hielt den Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand gespreizt hoch, was Victory ebenso bedeuten konnte wie Zweimal. Vera verstand ihn richtig und stellte zwei Stamper auf ein ovales Holztablett.
    In diesem Moment betrat Paul die Kneipe. Wolf sah ihn sofort. Paul aber kniff die Augen zusammen, so, als könne er in dem Dämmerlicht besser sehen, guckte sich suchend um, entdeckte Wolf, winkte, zog seinen Kamelhaarmantel aus und hängte ihn neben den Parka. Er war mit seinem Blazer, dem englisch gestreiften Hemd, der Flanellhose und seinen Budapestern zu elegant für diesen Platz, aber außer seinem Freund fiel das niemandem auf. Wolf fiel ein, wie Anne sich kürzlich über Sybille geärgert hatte, die unangemeldet mit ihren Töchtern zu Besuch kam, modisch und teuer gekleidet, «zum Hallosagen und nur auf einen Kaffee», wie sie gesagt hatte, in Wahrheit aber, wie Anne behauptete, die neuen Klamotten von sich, Anuschka und Laura hatte vorführen wollen. Frauen, so erklärte ihm Anne, hätten solche Impulse des Auftrumpfens und Unterduckerns, und nur Frauen seien in der Lage, solche geheimen Botschaften zu erkennen. Wolf verstand nicht, was sie ihm da erzählte und fand es albern und war der Meinung, sie solle sich lieber mit Sybille freuen, anstatt neidisch zu sein und sich über sie zu ärgern. Aber vielleicht, dachte er später, hatte sie doch Recht.
    «Alter!», sagte Paul und reichte ihm die Hand.
    «Klasse, dass du Zeit hattest», sagte Wolf, schüttelte Pauls Hand und zeigte auf sein Glas. «Auch eins?»
    Paul nickte. «Entschuldige meine Verspätung: Glatteis, bei uns draußen ist die Hölle los, ich sollte wirklich darüber nachdenken, wieder nach Hamburg zu ziehen, ist auch ein Vorteil von der Großstadt, da kann man mit so was wenigstens umgehen. Bei uns können die das Wort Streuwagen nicht mal buchstabieren!»
    «Lass es lieber. Bei uns hier kann man auch ganz schön ins Schleudern geraten!»
    Paul reichte Wolf ein Päckchen: «Hier, deine Schlaftabletten!»
    Wolf ließ sie in der Hosentasche verschwinden. «Danke.»
    Nachdem Paul sein Bier erhalten hatte, stießen sie an. Sie tranken. Bestellten sich noch ein Bier und dazu einen eiskalten Aquavit und unterhielten sich, über Politik und Wirtschaft, über Erfolg und Geld und über das Aufhören, über das Man-müsste-mal und Man-sollte-längst, und sie tranken und tranken, bis sie einen im Kahn hatten und der Bierdeckel voller Bleistiftstriche war und sie sich endlich trauten, die Umwege zu verlassen und mit ihren Gedanken und Gefühlen geradeaus zu gehen.
    Wolf machte die obersten Knöpfe seines Holzfällerhemds auf. «Du kennst Anne doch auch ganz gut, Paul ...», begann er, «ich meine, außer mir bist du wahrscheinlich der Einzige ... na ja, Ebba, gut, aber die ist eine Frau ... der Einzige, der weiß, wie sie tickt und so: Hast du in letzter Zeit mal mit ihr geredet?»
    «Geredet?» Paul vermied es, seinen Freund anzusehen. «Noch zwei Kleine?», fragte Vera und beide bejahten. «Hat sie mal dir gegenüber irgendwelche Äußerungen gemacht?»
    «Was für Äußerungen?»
    «Über sich halt. Über sich und mich.»
    «Warum soll sie denn mit mir reden? Ich bin doch nicht ihr Beichtvater!» Paul fühlte sich unbehaglich, und wie immer, wenn er sich unbehaglich fühlte, wurde seine Stimme eine Spur aggressiver.
    Wolf, der treue Freund, bemerkte das nicht. «Wir verstehen uns nicht mehr wie früher ...»
    «So!», sagte Vera feierlich, als würde sie jedem von ihnen zweitausend Mark auf einem Silbertablett servieren, «hier haben wir die zwei Kleinen für unsere beiden Großen!» Sie fand sich witzig. Sie lachte. Die Männer reagierten nicht. Stumm tranken sie in tiefen Zügen ihr Bier.
    Was will er?, dachte Paul im Stillen
    Soll ich weiterreden? , fragte sich Wolf.
    «Irgendetwas stimmt nicht: mit ihr.» Ein paar Tropfen des Spülwassers tropften auf Wolfs Kordhose. Er rieb sie weg. «Kannst du dir vorstellen, dass sie einen anderen hat?»
    «Wie kommst du denn darauf?» Schweiß trat auf Pauls Stirn.
    «Ist nur so 'n Gefühl. Ich habe das Gefühl, sie hat einen anderen.»
    «Hast du sie gefragt?»
    «Sozusagen.»
    «Und?»
    «Na was wohl: Sie tut so, als sei ich bekloppt.» Er bestellte sich noch einen Aquavit, schwieg, bis er kam, leerte

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