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Die Albertis: Roman (German Edition)

Die Albertis: Roman (German Edition)

Titel: Die Albertis: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Pfannenschmidt
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nach. Eine Sekunde nur. Dann stand sein Entschluss fest. Er schaltete das Handy aus, öffnete die Tür zur Kneipe und ging wieder hinein. Schnurstracks steuerte er auf Wolf zu. Der trank gerade sein zehntes Pils.
    «Und?», fragte er. «Alles klar?»
    Unbewegt blieb Paul stehen, sah seinen Freund an.
    «Was ist los? Warum stehst du da so wie Pik sieben? Warum setzt du dich nicht?»
    «Ich muss dir etwas sagen», hob Paul an, langsam und wohl überlegt. «Du täuschst dich nicht.»
    «Wie: du täuschst dich nicht?»
    Die Freunde starrten sich in die Augen.
    Mit fester Stimme sprach Paul weiter: «Anne hat ein Verhältnis. Sie hat einen anderen. Mich!»
    Die letzten Worte hatte auch Vera vernommen. Sie hörte auf, mit dem Geschirrhandtuch einen Bierstiefel zu polieren, und beobachtete die Männer, die so dicht voreinander standen, dass sich ihre Nasen fast berührten. Wie auf einen Schlag fühlte Wolf sich plötzlich nüchtern. In dieser Sekunde wünschte Paul, er hätte es nicht gesagt.
    Wolf wurden die Knie weich. Er merkte, wie er anfing zu zittern. Es ließ sich nicht mehr kontrollieren. Das Zittern wurde stärker und stärker. Kein Wort konnte er hervorbringen. Er stand einfach nur da, Zentimeter von Paul entfernt, spürte dessen Atem, konnte sich nicht rühren, zitterte, fror, schlotterte. Paul merkte, wie Wolf die Hände auf seine Schultern legte. Sie waren zentnerschwer. Sie lasteten auf ihm. Schienen ihn niederzudrücken. In die Knie zu zwingen. Er wollte einen Schritt zurücktreten, aber sein Freund ließ ihn nicht. Wolf schob seine Hände langsam höher, um Pauls Hals, am Hinterkopf hoch. Er drückte die Stirn gegen seine. Sie war feucht und heiß. Plötzlich, und mit einem Ruck, riss er Pauls Kopf nach hinten und stieß ihn dann mit voller Wucht gegen seinen. Paul schrie auf vor Schmerz. Die Umklammerung ließ nicht nach. Noch einmal und noch einmal schlugen unter Wolfs ganzer Kraft ihre Köpfe zusammen. Wut packte Paul. Mit voller Wucht haute er seinen linken Ellenbogen in Wolfs Magengrube. Wolf krümmte sich, kam blitzartig hoch, versetzte Paul einen Kinnhaken. Paul taumelte, fiel nach hinten, riss einen Barhocker mit sich zu Boden. Alles ging jetzt sehr schnell. Wolf warf sich auf ihn, schlug ihn, prügelte ihn, trat ihn, den bereits am Boden Liegenden, wie von Sinnen, ohne Mitleid, wutentbrannt. Die Umstehenden sprangen entsetzt zur Seite.
    «Hört auf!», schrie die Wirtin. «Hört sofort auf!»
    Alle Gäste guckten, einige hatten sich von ihren Stühlen erhoben, um besser sehen zu können. Wolf und Paul wälzten sich hin und her. Paul merkte, dass er im Gesicht blutete und dass Wolf der Stärkere war, vergebens versuchte er zu entkommen. Er kam hoch in die Hocke, wurde wieder auf den Fußboden geschleudert, Gläser klirrten, es gab Rufe und Schreie, und auf einmal wurde Wolf von zwei Männern gepackt, sie rissen ihn hoch, hielten ihn fest, und ein dritter hielt Paul fest in der Befürchtung, dass er sich jetzt auf Wolf stürzen würde. Doch Paul blieb einfach nur sitzen, er konnte nicht mehr; er war am Ende.
    «Ich rufe die Polizei!», rief die Wirtin. «Ich rufe die Bullen!»
    Da machte sich Wolf los, rannte zur Tür, griff nach seinem Parka, riss die Tür auf und raste hinaus ins Freie. Langsam kam Paul hoch. Er taumelte ein wenig. Jemand reichte ihm ein schmutziges Taschentuch. Paul betupfte sein Gesicht. Das Taschentuch war voller Blut.
    Die Wirtin war um den Tresen herumgekommen, baute sich, die Hände in die Hüften gestemmt, vor ihm auf.
    «Geht's noch?», pöbelte sie. «Seid ihr doof, oder was?»
    «Entschuldigung ...», stammelte Paul.
    «Wer zahlt mir den Schaden?», fragte Vera und deutete auf die Scherben und den umgefallenen Barhocker, von dem ein Stück des Beins abgebrochen war. Aus der Innentasche seines Sakkos fingerte Paul einen Hundertmarkschein, knallte ihn auf dem Tresen. «Ich muss hinterher!», erklärte er, zog das Blut, das ihm aus der Nase rann, hoch und wankte zur Tür, die noch immer offen stand. Vera stopfte den Schein in ihren Ausschnitt. «Verpiss dich, blöder Vogel!», rief sie ihm nach. «Und lasst euch hier nie wieder blicken!»
    Paul vergaß seinen Mantel und trat hinaus auf die Straße. Jemand schlug hinter ihm die Tür zu. Er sah nach links und nach rechts, aber von Wolf war nichts mehr zu sehen. Zitternd holte er sein Handy aus der Hosentasche und drückte die Wahlwiederholungstaste. Ich muss sie anrufen, dachte er, ich muss sie warnen, sie muss wissen, dass er

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