Die Albertis: Roman (German Edition)
es lag an mir.»
Es war eine Weile still im Badezimmer. Nur der Wasserhahn tropfte.
Ebba fuhr fort: «Es liegt ja auch an mir, dass ich keinen Mann habe. Ich muss irgendwie: beziehungsgestört sein. Immer denke ich: Wo du hinguckst, gehen Beziehungen in die Brüche. Mein Leben lang warte ich: auf Mister right. Ich weiß ja ganz genau, es gibt ihn nicht. Ich sehe ja auch an dir, in all den Jahren: Das Geheimnis einer guten Beziehung ist, dass man sich nicht trennt. Mir ist klar, dass eine Partnerschaft Arbeit bedeutet, dass das Leben zu zweit auf Kompromissen beruht. Bloß: Ich kann das nicht. Ich finde immer was an einem Kerl, was mir nicht gefällt, was mich daran hindert, mich richtig darauf einzulassen. Bis auf Steven damals. Und selbst bei ihm ... habe ich kurz vorher Schluss gemacht. Habe halt diese Meise. Tja. So sieht es aus. So sieht es aus mit Ebba Mommsen. Wundert mich nur, dass ich dir das erklären muss.»
Es wurde ein langer Abend. Es war ein Gespräch wie früher. Als Anne nach Hause zurückkam, war sie glücklich. Sie wusste: Zwischen ihr und Ebba war alles wieder im Lot. Sie sah unter der Türritze zu Wolfs Arbeitszimmer Licht hindurchscheinen. Sie glaubte, er würde noch arbeiten, und weil sie ihn nicht stören wollte, ging sie sofort und mit leisen Schritten und beschwingt zu Bett.
Sie ahnte nicht, dass Wolf gar nicht zu Hause war. Denn auch er hatte an diesem Abend das Gespräch mit einem Freund gesucht und sich vormittags, ohne Anne davon zu erzählen, mit Paul verabredet in ihrer Stammkneipe in der Langen Reihe, gegen acht Uhr.
Wolf war auf die Minute pünktlich gewesen. Er hatte seinen Parka an den Garderobenständer neben dem Eingang gehängt und sich an den Tresen gesetzt. Wolf liebte diese Kneipe. Seit Jahren ging er hier ein und aus, trank ein Bier, allein oder mit Freunden, verabredete sich mit Paul, durch den er die Kneipe kennen gelernt hatte. In Wahrheit war es ein dunkles Loch, ein Treffpunkt von Pennern und Nutten und Leuten, die hier im Bahnhofsviertel zu Hause waren. Die Wände waren im Laufe der Zeit vom Zigarettenrauch fast schwarz geworden. Es gab verbogene Tische und abgewetzte Stühle aus Eiche, vergilbte Plakate, auf denen für Eierlikör und Schnaps geworben wurde, eine Musikbox, aus der unablässig alte Schlagermusik dröhnte, und immer wimmelte es von Menschen, die bei Wolf den Eindruck erweckten, sie würden in dieser Kneipe wohnen und wären, weil sie seit Jahren kein Tageslicht mehr erblickt hätten, fahl geworden. Den Wirt, der früher zur See gefahren sein mochte und dem es irgendwann in seinem Laden so die Sprache verschlagen hatte, dass er nur noch krächzen konnte, gab es nicht mehr. Jetzt versorgte eine Frau Mitte fünfzig, die nie bessere Tage kennen gelernt hatte, freudlos die Gäste mit Bier, Korn und Sprüchen. Fast jeden kannte sie beim Namen, jeden duzte sie.
«Was kann ich für dich tun?», fragte sie Wolf und steckte einen Bleistift hinter ihr linkes Ohr. Ihre Haare, wespenblond mit schwarzen Strähnen, waren zu einem Nest hochgetürmt und so dünn, dass man durch sie hindurch das blass beleuchtete Glasregal an der Rückwand des Tresens sehen konnte. Wolf bestellte ein Pils. Sie schnappte sich das halb leere Glas, das vor seiner Nase stand, drückte es zweimal kräftig auf die Bürste, die in dem Spülbecken hinter ihr montiert war, ließ die milchige Seifenlauge kurz abtropfen und hielt es dann schräg unter den Zapfhahn.
Während das Bier schäumend ins Glas sprudelte, sah sie Wolf an. «Hab dich lange nich' gesehen!»
«Viel Arbeit!», antwortete Wolf knapp, denn ihm stand der Sinn nicht nach einem Gespräch.
«Dachte schon, du bis' nich' mehr!», sagte sie und lachte über die Vorstellung, Wolf könne tot sein.
«Das hat noch Zeit!», erwiderte Wolf. Er hatte keinesfalls die Absicht zu sterben, auch wenn er sich nicht besonders glücklich fühlte.
Ein alter Mann mit Schiffermütze und übergroßem Tweedmantel, der Mühe hatte, den Eindruck zu vermeiden, er befände sich auf hoher See, schaukelte am Tresen entlang in Richtung Ausgang.
Er rempelte Wolf an. «'tschuldigung», sagte er und tippte an seine Mütze, «Atschüs, Vera!»
«Guten Rutsch, Werner», rief sie ihm nach, «und grüß Olga.» Aber das hörte er schon nicht mehr, sondern war draußen auf der Straße verschwunden.
Die Wirtin stellte Wolf das Bier hin und machte mit dem Bleistift einen kurzen, scharfen Strich auf dem Bierdeckel. Sie schien davon auszugehen, dass Wolf mehr
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