Die Albertis: Roman (German Edition)
Schloss fallen und redete weiter, während sie den Flur entlanglief in Richtung ihres Schlafzimmers. «Ich bin am Packen. Ich fahre doch Silvester in die Schweiz, mein alter Freund Studi hat mich eingeladen, ich fliege nach Zürich und dann mit dem Leihwagen nach Luzern, und von dort geht es in die Berge, es soll wunderschön sein, er hat eine Pension gemietet zum Jahreswechsel, das macht er oft, wir sind dreizehn people, er hat mich eingeladen, und weil ich ja allein bin ...» Sie brach ab.
Anne war ihr gefolgt. Sie standen im Schlafzimmer. Auf dem Bett lagen zwei aufgeklappte Koffer, alle Schranktüren waren geöffnet.
«Sieh dir das an ...» Ebba zeigte auf die herumfliegenden Kleidungsstücke – Pullover, Kleider, Schuhe, Wäsche – und drehte sich dann zu Anne um und sah sie an. «Nun zieh erst mal deine Jacke aus. Und stell die doofe Tasche ab!»
Anne erklärte ihr, dass sie Brot und Käse mitgebracht habe und sogar eine Flasche Wein. Sie gingen in die Küche, wo Anne alles auspackte und Ebba Gläser, Besteck und Teller auf den Tisch stellte und die Kerzen in den Silberleuchtern auf der Fensterbank anmachte. Dann dimmte sie den Kronleuchter herunter. Es war fast wie immer. Ruhig, gemütlich, vertraut. Und doch irgendwie anders. Ebba sah Anne nicht in die Augen, sie hatte sie nicht einmal zur Begrüßung umarmt. Sie setzten sich. Ebba öffnete die Weinflasche, nachdem sie einen kritischen Blick auf das Etikett geworfen hatte, und goss ein.
«Er ist aus dem Supermarkt, soll aber gut sein.»
«Aha ...» Ebba trank einen Schluck. «Gut, ja.»
«Ebba, ich bin eigentlich nur gekommen, weil ich ... weil ich dir danke sagen wollte. Und ... und ... weil ich finde, wir müssen endlich mal wieder miteinander reden.»
Ebba zeigte auf die verschiedenen Käsesorten, die sie auf einem Holzbrett arrangiert hatte: «Nichts essen?»
Anne schüttelte den Kopf.
«Ich habe auch keinen Hunger.»
Über die Ränder der Gläser sahen sie sich an. Ebbas Gesicht verzog sich. Sie kniff ihre Augen zusammen, ihre Mundwinkel hoben sich, dann fing sie laut an zu lachen.
«Wir sind aber auch blöde Zicken, was?» Sie stand auf und ging zu Anne. «Komm her!»
Anne erhob sich. Sie umarmten sich.
«Tut mir alles furchtbar Leid», meinte Anne. «Obwohl ich gar nicht genau weiß, was ...»
«Ich doch auch nicht mehr! Ich war einfach bockig. Wir vergessen den ganzen Quatsch. Okay?»
Anne nickte. Sie setzten sich wieder und begannen dann doch zu essen. Anne erzählte, was sich in den vergangenen langen Wochen ereignet hatte. Ebba kommentierte kaum etwas, hörte nur zu.
«Und nun», schloss Anne, «ist genau das eingetreten, was du im Grunde bei unserem letzten ...»
«Streit.»
«... Gespräch gesagt hast. Ich liebe ihn. Aber ich bin kreuzunglücklich. Ich ... ich ... ich möchte das Wolf nicht antun, aber irgendwie: geht es nicht anders. Es ist passiert. Und es gibt kein Zurück mehr.»
Auch dazu sagte Ebba nichts. Doch Anne merkte, dass die Gesichtszüge ihrer Freundin, die vorher so angespannt gewesen waren, weicher wurden. Vielleicht lag es am Licht, vielleicht am Wein, vielleicht an Anne, die sich von Anfang an vorgenommen hatte, mit nichts hinter dem Berg zu halten: Auf einmal saß ihr wieder die alte Ebba gegenüber, die vertraute Ebba, die vertrauenswürdige Ebba.
«Willst du ein Bad nehmen?», fragte sie.
Und ob Anne wollte. Zwei Stunden waren verstrichen, und von Anfang an war Anne der Schweiß am Rückgrat heruntergelaufen, ihr Genick war verspannt, ihr Rücken schmerzte, sie wollte im warmen Wasser liegen, endlich einmal wieder, und sich entspannen, sie wollte dieses vertraute Ritual, sie wollte Ebbas Freundschaft zurück, die sich gerade in diesen kleinen Alltagsdingen ausdrückte, und sie wollte vor allem den guten, alten girls talk , bei dem nicht nur sie redete und beichtete, sondern bei dem beide miteinander sprachen, sich austauschten, auch im Lachen und im Schweigen.
Ebba brachte ihr einen Bademantel und Handtücher, während Anne sich im Gästezimmer neben der Küche auszog, ließ Wasser in die Wanne ein, machte auch dort die Kerzen an, schleppte den Rotwein auf einem Silbertablett ins Bad, stellte alles auf ein Beistelltischchen, das sie aus dem Wohnzimmer holte, und wuchtete schließlich einen Korbstuhl aus der Diele heran, den sie neben die Wanne stellte. Anne entschied sich für ein japanisches Badeöl, das Ebba von ihrer letzten New-York-Reise aus dem Kaufhaus Takashimaya mitgebracht hatte und das
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