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Die Albertis: Roman (German Edition)

Die Albertis: Roman (German Edition)

Titel: Die Albertis: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Pfannenschmidt
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möchte, dass Männer mich geil finden!» Und Ebba hatte nur mit den Schultern gezuckt und sich in die Unhöflichkeit des Schweigens gehüllt, die nichts weiter bedeutete als Resignation. Und nun saß sie hier in diesem Restaurant und stritt mit ihren Eltern, und am Nebentisch saß ein attraktiver Mann, und eine Kopfbewegung hätte genügt, um ihm zu bedeuten: «Okay, kommt mit.» Es war unglaublich. In Sekundenbruchteilen lief in ihrem Kopf der Film ab, dass sie frei sei, frei und ungebunden, dass sie stark und mutig sei und in der Lage, alles hinter sich zu lassen, selbst ihre Familie, und ein wildes Leben führen könnte, das einer Belle de jour, die alles und jeden haben konnte, den sie wollte, und dieser Gedanke kam ihr verlockend vor.
    Ernst Hofmann erhob sich.
    «Paps! Nun bleib doch sitzen!»
    «Ernst, was hast du denn?»
    «Entschuldigt mich!», murmelte er und ging. Sie sahen ihm nach und er wusste das. Er gab den Gramgebeugten, den schwachen Greis, es schien, als würde er auf einmal schlurfen, von den Schrecken des Lebens niedergebeugt, und über die dicken Teppiche Schritte setzen, die seine letzten waren. Ernst hatte das Talent zum Schauspieler. Er war fest davon überzeugt zu leiden. Und er wollte, dass die anderen mitlitten. Das war seine schönste Rolle. Doris war in dieser Hinsicht ein herrliches Publikum. Normalerweise wäre sie ihm nachgelaufen. Aber jetzt lehnte sie sich einfach nur zurück, ergriff Annes Hand und sagte: «Kind, Kind, Kind.»
    «Soll ich hinterher?»
    «Unsinn!» Sie winkte ab. «Mach dir keine Sorgen.»
    «Ich mache mir keine Sorgen. Ich ärgere mich.»
    «Du kennst ihn doch. Er jault ein bisschen herum. Er ist alt. Er fürchtet, nach und nach alles zu verlieren. Er will wichtig genommen werden. Er findet, du hättest ihn vorher fragen sollen.» Sie kicherte. «Aber nun scheint es ja nicht mehr rückgängig zu machen zu sein. Oder?»
    Anne schüttelte den Kopf. Manchmal wunderte sie sich über ihre Mutter. War sie eben noch die angepasste, fast unterwürfige Ehefrau gewesen, pink und pudrig mild, kehrte sie jetzt die lebenserfahrene Frau heraus, die auch in ihr steckte, rot, klar, selbstbewusst.
    Mit dem Daumen strich Doris ihr über den Handrücken. «Bist du denn glücklich mit ihm?»
    Entschieden nickte Anne.
    Doris ließ die Hand ihrer Tochter los und ergriff ihr Weinglas: «Ich nehme noch ein Schlückchen. Auf den Schrecken!»
    Ihre Tochter schenkte ihr das Glas fast randvoll und nahm selbst nur noch ein wenig. Sie stießen an und tranken bedächtig.
    «Ich wollte das schon längst mit euch besprechen», begann sie, «aber ich hatte so viel mit mir zu tun. Mit mir und Wolf und den Jungs. Es war nicht einfach.» Sie drehte das Glas in ihren Händen. «Ich hatte auch Angst, es euch zu sagen!»
    «Das glaube ich. Das ist ja auch nicht einfach.»
    «Und prompt reagiert dann Paps auch noch so. Fürchterlich. Ich finde, er benimmt sich entsetzlich. Warum tut er das? Warum wird er so wütend, beschimpft mich, kränkt mich derart?»
    «Erinnerst du dich noch an Fräulein Rippke?» Ehe Anne das bejahen konnte, fuhr ihre Mutter fort: «Jetzt könnte ich eine Zigarette vertragen. Hast du welche?»
    «Ich bestelle ein Päckchen.» Anne drehte sich nach hinten. Ein kurzer Blick in Richtung des Oberkellners genügte, und schon kam er an den Tisch.
    «Ist alles in Ordnung?» Er betrachtete sorgenvoll die noch halb vollen Teller.
    «Danke ja. Sehr gut!», antwortete Anne. «Ein bisschen viel vielleicht. Aber alles bestens.»
    «Wir hätten gerne Zigaretten!», sagte Doris. «Gauloises, wenn Sie haben.» Er nickte und Annes Mutter ergänzte: «Am liebsten filterlose.»
    «Na, du bist ja in Schwung! Wenn das Paps mitkriegt!»
    «Soll ich den Teller vom Herrn Doktor warm stellen?»
    Anne und Doris guckten sich fragend an.
    «Ich glaube, er wird auch nichts mehr essen», sagte Anne. «Sie können alles mitnehmen.»
    «Packen Sie es ein!», befand Doris und fügte jovial hinzu: «Wir nehmen es mit nach Hause. Wir wohnen in Bremen.» Für Anne, die überrascht war über diesen Wunsch ihrer Mutter, klang es wie: Bremen, das ist weit, weit weg, und da gibt es so etwas Schönes nicht. Doch der Oberkellner, der eine besondere Begabung darin hatte, seinen Gästen ein Gefühl unverbindlicher Vertrautheit zu vermitteln, verstand es richtig, plauderte charmant über die Unterschiede und jeweiligen Vorzüge der beiden Hansestädte, erzählte ein paar Anekdoten und versprach, mit Zigaretten und dem

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