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Die Albertis: Roman (German Edition)

Die Albertis: Roman (German Edition)

Titel: Die Albertis: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Pfannenschmidt
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reden?»
    Sie wurde stinksauer: «Sei doch nicht so entsetzlich kitschig!», schrie sie. «Das ist ja nicht zum Aushalten. Komm da sofort raus und benimm dich wie ein Mann!»
    Flott wurde die Zwischentür aufgestoßen und ein elegant gekleideter Herr kam herein, eine Hand schon am Reißverschluss, hielt inne, glotzte. «Was machen Sie denn hier?», fragte er aggressiv.
    «Na, was wohl?», antwortete Anne erhitzt.
    «Is 'n Männerklo!»
    «Ach nee. Von mir aus können sie pinkeln. Mich stört das nicht.»
    «Aber mich.» Er hielt die Tür weit auf. «Raus! Wenn ich bitten dürfte!»
    «Nun brich dir bloß keinen ab. Ich hab schon mal einen Schwanz gesehen!» Hilfe! Was sagte sie da? War Ebba in sie gefahren?
    «Also Anne!» Die Toilettentür wurde aufgeschlossen. Ihr Vater kam heraus. Er hatte tatsächlich die ganze Zeit über angezogen auf dem Klodeckel gesessen. «Entschuldigen Sie bitte meine Tochter.» Ernst schob Anne hinaus. «Entschuldigen Sie!»
    «Proletenpack!», hörten sie den Mann noch sagen, dann fiel die Zwischentür ins Schloss.
    Ernst ging an eines der Waschbecken, drehte den Wasserhahn auf und wusch sich die Hände. «Ich habe immer gedacht, bei euch ist alles in Ordnung ... es ist traurig. Traurig ist das.» Er sah sie durch den Spiegel an.
    Anne nahm eines der sorgfältig zusammengelegten Frotteehandtücher, faltete es auseinander und reichte es ihrem Vater.
    Er drehte sich um. «Man kann doch jede Entscheidung rückgängig machen.» Er trocknete sich die Hände ab.
    «Diese nicht.»
    Er holte tief Luft. Fast tat er ihr Leid. Er schien wirklich unter Schock zu stehen. «Aber ...»
    «Aber was?»
    «Zusammenziehen, ich meine, du wirst doch nicht mit ihm zusammenziehen?»
    «Nein, Quatsch», antwortete Anne schnell. «Komm, Mama wartet.» Sie wollte gehen.
    Er hielt sie zurück. «Ich will nicht, dass du einen Fehler begehst, der sich nicht wieder gutmachen lässt. Der ist doch gar nicht dein Kaliber, Anne.»
    «Du kennst ihn doch überhaupt nicht! Mein Gott!»
    Sie verließen die Waschräume, gingen an der Garderobiere vorbei, die ihnen nachsah, den Flur entlang, und Ernst hakte sich bei seiner Tochter unter. Er wirkte federleicht an ihrem Arm, fast zerbrechlich, fand sie.
    «Also wirklich nicht?», fragte er leise nach. «Du bleibst mit den Jungs in der Stadt, lässt alles langsam angehen, denkst über alles gut nach?»
    «Ja», sagte sie, «ich denke über alles gut nach. Ich bleibe in unserer Wohnung, mit den Jungs. Wir ziehen nicht zusammen. Mach dir keine Sorgen.»

KAPITEL 9
    Anuschka
    Kurz vor halb eins hielten zwei Umzugswagen vor dem Haus von Paul. Sie waren eine richtige kleine Karawane. Edward bildete mit seinem Fiat Panda das Schlusslicht, das nicht nur durch den Lärm des kaputten Auspuffs auffiel, sondern auch durch die Buchstaben aus Leuchtfolie, die immer noch an den Türen klebten: Abi 99.
    Anne war vorausgefahren, mittlerweile kannte sie den kürzesten und schnellsten Weg nach Ahrensburg. Ihr Volvo war bis unters Dach vollgeladen mit Krimskrams. Es hatte sie überrascht, wie viele Umzugskartons zusammengekommen waren. Berge von Sachen quollen aus den Schränken ihrer Söhne, und der Umzug wäre eine gute Gelegenheit gewesen, auszumisten. Aber bei jedem T-Shirt, jedem Spiel, jedem Buch und jeder CD setzte ein Mordsgezeter und Trara ein. Weder Edward noch Pavel und schon gar nicht Luis, der mit all seinen Sachen Erinnerungen verband, waren bereit, sich von etwas zu trennen. «Für die Zukunft solltest du eine Lehre daraus ziehen», hatte Ebba gesagt, die ihr die vergangenen Tage über geholfen hatte, «man darf wirklich nur mit kleinem Gepäck durchs Leben reisen.»
    Doch für Philosophie blieb jetzt keine Zeit. Die letzten zwei Wochen in der alten Wohnung – aus der sie alle mit Wehmut auszogen – waren im schieren Chaos untergegangen. Anne hatte sich einmal mehr als Muttertier entpuppt. Für alle und alles fühlte sie sich zuständig. Es gab unendlich vieles zu regeln und zu bereden. Packen, räumen, wegschmeißen. Dreimal wurde der Termin mit dem Verwalter, der die Wohnung abnehmen musste, verschoben. Telefon, Gas, Strom abmelden, Umzugskarten drucken und adressieren und verschicken, Luis umschulen, Abschied nehmen von den Nachbarn.
    Anne war ziemlich fertig, als sie aus ihrem Auto ausstieg, die letzte Nacht hatte sie fast nicht geschlafen. Man sah ihr die Erschöpfung an. Doch Paul, der aus dem Haus gerannt kam, als die Wagen vorfuhren, war das vollkommen egal. Er stürzte auf

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