Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Alchemie der Naehe

Die Alchemie der Naehe

Titel: Die Alchemie der Naehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaia Coltorti
Vom Netzwerk:
Burberry-Tüten und Schuhkartons hast du dich dann unter dem Vorwand, etwas von Xenophon lesen zu müssen, in dein Zimmer geflüchtet und es der Polizeikommissarin überlassen, ihre Angelegenheiten allein zu regeln, damit sie wenigstens ansatzweise begriff, was der Begriff »absoluter Horror« eigentlich bedeutete.
    Als du beim Abendessen die wiedervereinte Familie erneut erblickt hast – diesmal hoffentlich für immer –, hast du dich willkommen, ja geborgen gefühlt. Sogar die Witze deines Vaters, des Notars, die Geschichten von den armen Schweinen, die deine Mutter verhaftet hatte, weil sie so blöd waren, ihre Schwiegermutter mit dem Rasenmäher zu bedrohen, brachten dich zum Lachen.
    Es war schön, zu Hause zu essen. Ihr beschlosst, euch auch mal an ein paar anspruchsvollere Rezepte heranzuwagen. Besser gesagt deine Mutter und Selvaggia, denn du standst eindeutig mit dem Kochen auf Kriegsfuß. Du halfst bloß beim Tischdecken, während deine Mutter und Selvaggia letzte Hand anlegten und der Atmosphäre einen angenehm weiblichen Touch verliehen, indem sie das Halogenlicht dimmten und stattdessen stimmungsvolle Kerzen anzündeten.
    Wie du weißt, hattest du die wunderbare alte Platte eines Genueser Liedermachers aufgelegt, die deiner Mutter so gefiel, und als dein Vater von der Arbeit kam, fand er diese sicherlich hochwillkommene Überraschung vor.
    Dir war, als hättest du seit Jahren nicht mehr so gut gegessen, auch wenn du vor dem Abendessen gar keinen großen Appetit gehabt hattest – weiß du noch? Vielleicht weil es bei Muttern aus irgendeinem rätselhaften Grund meist am besten schmeckte, vielleicht auch weil du Selvaggia bei der Zubereitung des Nudelgerichts zugeschaut hattest – jedenfalls hast du alles mühelos verschlungen , mein lieber Giovanni.
    Â»Das war das leckerste und lustigste Essen meines Lebens«, hast du zu deinem Vater und natürlich auch zu deiner Mutter gesagt, wobei du dein Weißweinglas hobst.
    Du warst so glücklich, wieder mit dieser Familie vereint zu sein, die das Schicksal dir so lange vorenthalten hatte. Und du fühltest dich so lebendig wie noch nie, weil du Selvaggia in deiner Nähe wusstest – die Frau, die deinen Kopf und dein Herz mit einer noch nie da gewesenen, hellen, übersprudelnden Freude erfüllte.
    Diese heimliche Freude war die ganze Zeit über deine unsichtbare Tischgefährtin, sodass es dir sogar gelang, unterhaltsame Anekdoten von einem Schulausflug nach Folgoria zu erzählen: von den Abenteuerausflügen mit der Wasserballmannschaft und deinen schrägen alten Freunden, den komischen Käuzen Astone und Gilbertini (der mit der Wahnsinnszahnspange), die du nun schon seit einer Ewigkeit aus den Augen verloren hattest. Astone und Gilbertini natürlich, nicht die Zahnspange.
    Selvaggia hielt sich wie schon in Malcesine den Bauch vor lauter Lachen, und eure Eltern freuten sich, dass ihr so gut miteinander auskamt. Ihr saßt euch gegenüber: der Vater zu deiner Rechten, die Mutter zu ihrer Linken. Diesmal bestand keine Gefahr, beim Füßeln zu stören, da der lange Tisch genug Beinfreiheit ließ. Hättest du füßeln wollen, hätte es wahrscheinlich niemand bemerkt, und niemand hätte euch gestört.
    Das Abendessen war etwa zur Hälfte vorbei, als Selvaggia und du unter lautem, wiederholtem Gelächter mit den Beinen Kontakt aufnahmt. Genauer gesagt warst du es, der sie gefangen nahm , woraufhin sie in der Falle saß und sich nicht mehr rühren konnte. Du hast heimlich triumphiert, denn diesmal konnte sie dich nicht reinlegen wie im Restaurant, auch wenn sie natürlich noch so verzweifelt versuchte, sich zu befreien, und zwar genau zweimal.
    Aber am Ende musste sie sich geschlagen geben und die Berührung akzeptieren. Wie du weißt, habt ihr euch das ganze restliche Abendessen über nicht mehr von der Stelle gerührt und euch vielsagende Blicke zugeworfen, sobald eure Eltern wieder in ihre kindischen Erwachsenengespräche vertieft waren.
    Wer hätte da nicht auf so ein authentisches, immerwährendes Glück gehofft – wobei das Wort »immerwährend« in deinen Ohren wie »jeder Tag deines Lebens« klang und folglich ein Leben in Gesellschaft ihrer süßen Anmut bedeutete. Das hast du inständig gehofft, den sehnsüchtigen Wunsch geäußert, das Schicksal möge diese Verbindung selbst

Weitere Kostenlose Bücher