Die Alchemie der Naehe
freudige Zärtlichkeit, die dir schon beim Hereinkommen aufgefallen war. Sofort erklärte sie dir alles: »Wie du weiÃt, haben wir noch die Wohnung, die bisher nicht vermietet worden ist, stimmtâs?«
Sie streckte die Hand nach der napoleonischen Kommode aus und klapperte plötzlich direkt vor deinem verblüfften Ge sicht mit den Schlüsseln für die Wohnung in der Via Anfi teatro. Sofort sprang Selvaggias Strahlen auch auf dich über: Ihr hattet eine Wohnung zur Verfügung, fast vollständig eingerichtet und mit jeder Menge Komfort, wo niemand stören würde.
Du lächeltest Selvaggia an und fragtest dich angesichts deiner nachweislichen Intelligenz, warum du nicht längst selbst darauf gekommen warst. Mann, wart ihr jetzt glücklich!
Am nächsten Morgen wurdet ihr unabhängig voneinander schon kurz nach Sonnenaufgang wach und wart völlig euphorisch. Mit Engelsgeduld wartete jeder von euch in seinem Zimmer, dass die Erzeuger unten frühstückten, anschlieÃend beseelt von wiedergefundener ehelicher Liebe das Haus räumten und unabhängig voneinander einem neuen, vermutlich alles andere als aufregenden Arbeitstag entgegenstrebten.
Kaum hattet ihr gehört, wie sich Audi und Mini entfernten, standet ihr auf und traft euch im Flur. Ihr lachtet über eure Sehnsuchtstelepathie und tratet fünfunddreiÃig Minuten spä ter gut gelaunt über die Schwelle eines Schlüsseldienstes. Als erste Kunden des Tages verlangtet ihr einen Nachschlüssel für die Wohnung in der Via Anfiteatro, damit auch du dir nach Belieben Zuttritt verschaffen konntest.
Es war kurz nach neun, als ihr beschlosst, ausgiebig zu frühstücken in einem alten Café, das bestimmt schon seit einer Ewigkeit existierte. Es hieà La tazza dâoro , und dort an einem Tischchen, umgeben von Bankangestellten, beinahe bankrotten Ladenbesitzern und vierzigjährigen Anwälten, die sich um die Theke scharten, verging die Zeit wie im Flug. Nach dem Frühstück mit warmen Brioches und Cappuccino nahmt ihr euren aufregenden Spaziergang wieder auf. Schon bald nachdem ihr die Piazza Bra hinter euch gelassen hattet, standet ihr vor der euch mittlerweile vertrauten Fassade aus dem neunzehnten Jahrhundert, wo du im dritten Stock die vier hohen Fenster der Wohnung erkennen konntest, die eure Mutter gekauft hatte, um sie, verrückt wie sie war, gerade mal für wenige Wochen zu beziehen.
Eine günstige Fügung des Schicksals sorgte dafür, dass ihr nicht mal Gefahr lieft, von den Nachbarn gestört zu werden, da das Gebäude zu drei Vierteln aus Büros bestand.
Vor der Wohnungstür zögertet ihr kurz â ihr ahntet wohl, dass es für euch zwei hoffnungslose Fälle von nun an kein Zurück mehr gab. Doch als dieser kritische Moment vorüber war, hast du energisch die Tür zur Wohnung aufgesperrt, mein lieber Giovanni, die wegen der geschlossenen Fensterläden im Halbdunkel lag. Auch Strom und Wasser waren abgestellt, was du rückgängig machtest, wobei dir klar war, dass ihr äuÃerst spar sam mit diesen Ressourcen umgehen musstet. Eure Mutter musste schlieÃlich dafür aufkommen und würde jede Auffälligkeit bestimmt gleich bemerken.
Du schlosst hinter euch ab, und Selvaggia öffnete die Fensterläden. Die Wohnung war noch genauso, wie du sie in Erinnerung hattest: geräumig, aber auch gemütlich und stilvoll eingerichtet.
Du folgtest Selvaggia in ihr ehemaliges Zimmer. Wegen der geöffneten Fensterläden kam genügend Licht herein. Das schmie deeiserne Bett machte einen ziemlich bequemen Eindruck, und Selvaggia war schon dabei, es frisch zu beziehen. Als sie merkte, dass du ins Zimmer kamst, lächelte sie dich an, und du fühltest dich verpflichtet, ihr zu helfen. AnschlieÃend legtet ihr euch in stillem Einvernehmen angezogen aufs Bett und saht euch in die Augen. Die erste Versuchung, der du nicht widerstehen konntest, bestand darin, ihr übers Gesicht zu streichen: So überwältigt warst du von ihrer Schönheit.
Im Grunde wusstest du mit jeder Faser deines Körpers, dass du der Vorkämpfer einer verbotenen Liebe warst. Trotzdem ignorier test du das auch weiterhin und machtest dir weis, das sei kein unüberwindbares Problem. Ach, welch süÃer Illusion ihr doch erlegen wart! Sollte es kompliziert werden, konntet ihr das Problem immer noch angehen. »Es bringt schlieÃlich nichts, sich
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