Die Alchemie der Naehe
du sie umarmtest, und trotzdem hattest du immer noch nicht genug davon. Unglaublich oder?
»Morgen, morgen, morgen«, protestiertest du. Du umarmtest sie zwar, aber das hieà nicht, dass du nicht mehr wütend warst. Obwohl du es wie immer nicht schafftest, ihr deine Wut zu zeigen, weil der Duft ihrer Haut und ihre Anmut dich überwältigten.
»Hättest du beschlossen, nach Verona zurückzukehren, hätte ich dich nicht davon abgehalten. Ich hätte auch allein herkommen können. AuÃerdem wusstest du genau, wie sehr ich mich auf die paar Tage Genua gefreut habe! Wir haben das alles längst besprochen, schon vergessen? Wieso bist du überhaupt mitgekommen?«
Du hast nicht darauf geantwortet, du weiÃt es.
»Wirf mir also nicht deine eigene Entscheidung vor, Johnny! Ich bin es ohnehin leid zu streiten, und jetzt machst du mir auch noch Eifersuchtsszenen wegen meiner Freundinnen?« Sie löste sich von dir. So langsam verlor sie die Geduld. Feindselig saht ihr euch an.
»Ja«, stieÃt du heftig hervor. »Ich bin eifersüchtig auf deine Freundinnen. Ich bin sogar eifersüchtig auf jeden, der dich anspricht und nach dem Weg fragt!«
»Du spinnst ja«, lautete ihr Kommentar.
»Ja, ich spinne, weil ich dich liebe! Ich liebe dich und will dich ganz für mich allein haben. Ich bin besessen von dir, so ist es nun mal. Ich will nicht, dass jemand zwischen uns steht. Wie oft und mit welchen Worten soll ich das denn noch sagen?« Deine Stimme zitterte vor Wut und verriet die dunklen Dämonen, die in deinem Kopf spukten. Aber das Schlimmste war, dass du merktest, was du da sagtest, ohne es besonders beunru hi gend zu finden. Im Gegenteil, es war befreiend, das auszu sprechen, als würde eine schwere Last von dir abfallen und dir nicht länger die Luft zum Atmen nehmen. Du hättest noch viel mehr gesagt, wenn sie dich nicht so seltsam angesehen hätte.
»Du spinnst, Giovanni. Du weiÃt ja gar nicht mehr, was du da redest.«
»Im Gegenteil«, provoziertest du sie und stieÃt Rauch durch die Nase aus. »Ich war noch nie so klar im Kopf.«
Sie seufzte genervt und trommelte mit den Fingern auf die Reling. »Du führst dich auf wie ein verwöhntes Kind!«
»Und wenn schon! Dass du dich in meiner Gegenwart sehr erwachsen verhältst, kann man auch nicht gerade behaupten.«
Selvaggia vermied es, darauf zu antworten. Stattdessen ging sie schweigend und hoch erhobenen Hauptes wieder in die Kabine. Du rauchtest noch deine Zigarette zu Ende und folgtest ihr. Als ihr schlieÃlich beide im Bett lagt, wart ihr wie durch eine Wand getrennt. Trotzdem umarmtet ihr euch, redetet allerdings nicht miteinander. Du sagtest ihr Gute Nacht, indem du ihr einen flüchtigen Kuss auf die Wange gabst, auf den sie vielleicht lieber verzichtet hätte. Dann wartetest du, bis sie in deinen Armen eingeschlafen war, bevor du die Augen zumachtest.
Ihre Betthälfte war noch warm, sie konnte also erst vor Kurzem aufgestanden sein. Du sahst im Bad nach, aber bis auf das knappe Hemdchen, das sie zum Schlafen trug, fehlte von Selvaggia jede Spur. Es roch nach ihr, und du schlosst die Augen, um ihren Duft einzusaugen.
Der Schmerz, den du empfandst, sobald du auch nur eine Sekunde von ihr getrennt warst, war unbeschreiblich. Bliebt ihr in Genua, würden dir die zwei Tage, die für sie viel zu kurz waren, um ihr altes Leben auszukosten, wie eine Ewigkeit vorkommen. Deshalb konntest du es kaum erwarten, sie hinter dich zu bringen. Verzweifelt lieÃt du dich aufs Bett sinken, während Sonnenlicht durch die Glastür fiel. Du fühltest dich verloren, verstandst nicht, was du hier eigentlich wolltest. Und wer weiÃ, vielleicht wollte sie dich ohnehin nicht mehr?
Uff.
Um dich gegen die Passivität zu wehren, in die sie dich zwang, musstest du ihr gegenüber wohl oder übel genauso dominant auftreten wie sie. Wenn das so weiterging, würdest du dich noch irgendwann in die Idee verrennen, ihr ganzes Leben kontrollieren, sie einengen, ja unterdrücken zu müssen. Du würdest von ihr besessen sein. Zum Teil warst du das jetzt schon, und wenn du dich noch mehr in die Sache hineinsteigertest, würde das eurer Beziehung bestimmt nicht guttun. Du musstest dringend auf die Bremse treten. Aber wie oft hattest du dir das schon vorgenommen? Unzählige Male. Und wie oft war es dir gelungen, dich entsprechend zu verhalten? Nicht ein einziges
Weitere Kostenlose Bücher