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Die Alchemie der Naehe

Die Alchemie der Naehe

Titel: Die Alchemie der Naehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaia Coltorti
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jedes Mal so lebendig machten, wie du es vor ihr nie gewesen warst.
    Das Genueser Mittagslicht war überall, blau und weiß. »Nach her kommst du in die Kabine«, befahl sie. »Ich muss dich noch eincremen.« Du nicktest, und sie ging schon mal vor. Kaum warst du allein, entspanntest du dich und bewundertest das Meer, während dir eine leichte Brise die Haare zerzauste. Es gelang dir, an nichts zu denken, so beseelt und beruhigt warst du von der Genugtuung und dem Glück der letzten Minuten.
    Doch keine Sekunde später sprangst du abrupt auf, weil sie erneut nach dir gerufen hatte.
    Â»Und, fühlst du dich jetzt besser?«, fragte Selvaggia.
    Â»Ja, logo«, sagtest du spontan, auch wenn bestimmt wieder bloß der brave Lakai aus dir sprach.
    Â»Merkst du, wie wichtig After-Sun-Lotion ist?«, bemerkte sie ironisch, bevor sie vom Bett aufstand und sich vor dir aufbaute. Mit der Rechten fuhr sie dir übers Kinn, und zwar so, dass du den Kopf heben und ihr in die Augen sehen musstest, bevor sie neue Lotion aus dem Flakon drückte und dir sanft Wangenknochen und Stirn eincremte.
    Die kleinen konzentrischen Bewegungen ihrer Finger verlangsamten sich, während ihr euch verzückt ansaht; anschließend stellte sie den Flakon weg, ohne die Hände von deinem Gesicht zu lösen, und fing an, dich langsam zu streicheln.
    Du hast die Lippen geöffnet, und ihre stürzten sich gierig darauf.
    Ein Kuss.
    Und noch ein Kuss.
    Â»War das schön?«, fragte sie, als sie dich losließ. Du hast dich aufgesetzt und sie nickend angelächelt: »Wunderschön.«
    Â»Und was sagst du dazu?« Sie leckte an deinem Ohr und deinem Hals.
    Du stöhntest lustvoll auf. »Das ist noch schöner.«
    Lachend warf sie dich rücklings aufs Bett.
    Die reizende Agnese – aber das hattest du bereits befürchtet – würde also morgen Abend eine Riesenparty auf der Jacht veranstalten. Zu dieser Party war ein Viertel der gesamten Jeunesse dorée Genuas eingeladen worden – mit anderen Worten: Selvaggias alte Bekannte würden natürlich auch kommen. Du wusstest jetzt schon, dass du den ganzen Abend abseitsstehen, am Heck an der Reling lehnen, und von düsteren Gedanken geplagt eine Camel nach der anderen rauchen würdest.
    Wenn dich Selvaggia nach Belieben um den Finger wickelte, lief das immer in exakt der gleichen Weise ab: Erst sagte sie dir lauter nette Sachen, zum Beispiel dass du ihr ein und alles seist, dass sie noch nie jemanden so liebgehabt habe wie dich – nur um dich dann wieder links liegen zu lassen und sich anderen Dingen zuzuwenden. Ganz einfach, weil du das vorletzte Rad am Wagen warst, wie du dir in deiner Opferhaltung immer wieder weismachtest, ohne zu merken, welche Macht du tatsächlich über sie hattest.
    War es nicht vielmehr so, dass du Selvaggia jedes Mal, wenn du frustriert warst und dich unmöglich aufführtest, in ein Netz aus Gewalt verstricktest? Wurde aus deiner Ergebenheit dann nicht buchstäblich die Ergebenheit eines Monsters? Obwohl es sich bei dir zweifellos um ein äußerst leidensfähiges Monster handelte.
    Aber einer wie du durfte bestimmte Dinge einfach nicht an sich heranlassen. Dafür würdest du ihr eines Tages unmissverständlich klarmachen müssen, wie sehr es dich störte, das letzte Rad am Wagen zu sein. Aber noch verdrängtest du diese Gedanken: Weil du sie gernhattest, weil du ihr nicht den Urlaub vermiesen wolltest, weil, weil, weil … Doch wenn du ehrlich warst, wusstest du nicht, wie lange du es noch schaffen würdest, nicht gegen deine guten Vorsätze zu verstoßen.
    An diesem friedlichen Abend bestauntet ihr jedenfalls die unzähligen Lichtreflexe auf dem Wasser, bevor ihr gegen Mitternacht wieder ganz in eurem jeweiligen Anblick versankt. Erst spät kehrtet ihr in die Kabine zurück, wo euch praktischerweise eine katatonische Müdigkeit überfiel und die turbulente Fahrt mit der Gefühlsachterbahn vorerst beendete.
    Aber schon beim Aufwachen waren die Harmonie und das Glück, die ihr euch noch wenige Stunden zuvor mühsam er kämpft hattet, in einen finsteren Abgrund aus Paranoia und Deli rium gestürzt.
    Alles fing damit an, dass du morgens die Augen aufmachtest und Selvaggia nicht mehr neben dir lag. Gleichzeitig hörtest du ihre Stimme aus der Toilette nebenan. Da es hier weit und breit keine Bauchredner gab, musste sie mit jemandem

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