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Die Alchemie der Naehe

Die Alchemie der Naehe

Titel: Die Alchemie der Naehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaia Coltorti
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Mal , Johnny Johnny!
    Hastig zogst du dich an und verließt die Kabine, um nach ihr zu suchen. Als Erstes fiel dir das grelle Licht auf, dieses endlose Weiß, das dich ins Wanken brachte, dich blendete und in deinen Augen brannte.
    Selvaggia war am Bug. Sie sonnte sich auf einer Liege, trug einen weißen Bikini und eine neue Sonnenbrille, zumindest hattest du sie noch nie an ihr gesehen. Du warst erleichtert, dass ihre Freundin Agnese nicht da war. Lautlos kamst du näher, aber anstatt ihr wie sonst einen Streich zu spielen, gingst du einfach nur zu ihr. Sie schob die Sonnenbrille auf die Stirn und begrüßte dich mit einem Lächeln, das von dir erwidert wurde. »Ciao«, sagtest du noch ein wenig verlegen wegen eurer Auseinandersetzung vom Vorabend. Aus demselben Grund starrtest du zu Boden, warst nicht in der Lage, ihren Blick zu erwidern. Ehrlich gesagt, hattest du ein schlechtes Gewissen.
    Â»Ciao«, sagte sie. Sie zeigte auf eine Liege ganz in der Nähe. »Nimm die hier und leg dich zu mir!«
    Du nahmst die Liege und stelltest sie neben ihr auf. »Das mit gestern Abend tut mir leid«, sagtest du. »Entschuldige bitte. Ich hätte dich nicht so nerven dürfen.«
    Sie lächelte und gab dir mit einer beiläufigen Geste zu verstehen, dass das Schnee von Gestern sei. Dann drehte sie sich auf die Seite, kehrte der Morgensonne den Rücken zu und mus terte dich eine Weile. Du fragtest dich, woran sie wohl dachte, bevor ihre Hand versuchte, deine Haare zu glätten. »Du solltest dich kämmen«, sagte sie. »Deine Haare sind elekt risch aufgeladen.«
    Â»Ich weiß«, gabst du zurück. »Aber was soll ich machen?«
    Â»Sie kämmen«, beharrte sie. Dann setzte sie sich auf den Rand ihrer Liege und begann deinen Rücken mit Sonnenmilch einzucremen wie in Malcesine. Doch anstatt irgendwann aufzuhören, kümmerte sie sich diesmal auch um Schultern, Arme und Brust.
    Nun, solltest du nach dem Tod tatsächlich in die Hölle kommen, genügte es, dass sie bei dir war, denn dann würde die Strafe nur noch halb so schlimm sein. Zumindest redetest du dir das ein. Du warst ein Verdammter, und das galt auch für Selvaggia. Aber in deinen Augen war sie bloß ein Engel, der zu hell strahlte und den du in deinem Egoismus und Liebeswahn beschmutzt hattest. Und obwohl ein Richter ihr dieselbe Schuld zusprechen konnte, wog die ihre weniger schwer. Und das nicht nur, weil ihr sanftes Wesen dich dazu veranlasste, zu beten und wenigstens ihre Rettung zu erflehen.

41
    Auf Agneses Jacht nahmt ihr ein leichtes, frisches Mittagessen ein. »Schau nur, wie braun du bist«, sagtest du. »Ich bin nicht einmal halb so braun wie du.« Weil sie an der Sonne gewesen war, hatte ihre Haut einen goldenen Schimmer. Du hingegen warst trotz Sonnenschutz hummerrot, denn du hattest eine hellere Haut, die ohnehin zu Rötungen und Reizun gen neigte. Ihr goldener Teint betonte ihre smaragdenen Augen, die dich belustigt musterten. Selvaggia gehörte zu den Mädchen, die von Natur aus fast makellos waren. Sollte ein Sturm aufziehen, der die Äste von den Bäumen fegte, oder ein Wolkenbruch niedergehen, würde sie trotzdem noch gekämmt, gepflegt, graziös und wohlriechend sein.
    Â»Nachher muss ich dich mit After-Sun-Lotion eincremen«, sagte Selvaggia. Sie erhob sich lachend und kam näher, um dir eine Strähne aus dem Gesicht zu streichen. Ihr weißer Bikini aus knisterndem Leinen passte sich ihren Bewegungen an und verbreitete einen frischen Duft.
    Ach, wie glücklich sie war, wenn sie beschloss, sich um dich zu kümmern! Du wurdest dann fast wieder zum Kind. Selvaggia schaffte es, dich zu beruhigen. Nur sie konnte das, und wie sie das machte, war dir ein Rätsel. Wäre doch jeder Tag so wie heute, dachtest du. Auch sie schien ein etwas schlechtes Gewissen zu haben, weil sie dich am Vortag vernachlässigt hatte. Deshalb zählte Selvaggia dir die Sehenswürdigkeiten auf, die ihr bald besichtigen würdet. Sie beschrieb sie dir, während sie mit einem kleinen Obstmesser einen Pfirsich schälte, ihn in Scheiben schnitt und dich damit fütterte, wobei du Weichei sie selig gewähren ließt. Anschließend küsste sie dich und nahm dein Gesicht zwischen die klebrigen Hände, sodass auch deine Wangen klebten. Von dir aus hätte das ewig so weitergehen können. Denn das war einer der Momente, die dir so fehlten und dich

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