Die Alchemie des Bösen: Roman (German Edition)
stehen.
»Du lieber Gott! Das ist nicht das Ritual! Was ist das?«, brüllte er zu der Glaswand hinüber. »Was hast du mit Colonel Bronque angestellt? Onkel! Was … warte … warte ! Wer zum Teufel ist das ?«
Svenson folgte Schoepfils Blick. Vandaariff stand reglos hinter dem Glas, eine blitzende Messerklinge an der Kehle. Gehalten wurde das Messer von einer Frau, deren Kopf in einem Messinghelm steckte und deren schmutzstarrendes Kleid schwer und nass an ihr herabhing.
»Onkel Robert?«, fragte Schoepfil.
»Tun Sie Ihre Pflicht, Doktor Svenson«, krächzte Vandaariff. »Sie wissen, worum es für Sie geht.«
»Halt den Mund, Oskar«, ertönte eine brummende Stimme aus dem Helm. »Doktor Svenson ist für niemanden von Bedeutung.«
Die Contessa vollführte mit dem Messer eine ruckartige Bewegung. Ein Strahl roten Bluts spritzte in hohem Bogen gegen die Scheibe und lief daran herab, während Robert Vandaariff leblos zu Boden sank.
Kapitel Zehn
TRENNUNG
S chwimmen als solches war für Miss Temple ein Genuss, denn sie war klein, und Wasser bot eine Bewegungsfreiheit, die draußen an der Luft nicht möglich war. Sie bewegte die Beine wie ein Frosch – ein angenehmes Gefühl – und paddelte mit einem Arm. Blasen knabberten wie winzige Fische an ihrer Haut. Das Wasser war kalt, doch während sie schwamm, kam sie in Zonen mit unterschiedlichen Temperaturen. Das wärmste Wasser wurde in die Bäder geleitet, aber das kältere floss schneller. War das der Fluss? Sie trat heftig gegen die Kälte an, und ihre Lunge brannte. Ihre Hand stieß gegen Stein. Miss Temple legte eine Pause ein, während ihr Körper aufwärtstrieb. Sie spürte eine Strömung … war da ein Kanal im Felsen? Ihre suchende Hand streifte eine weiche Ranke – ein Stück Seegras? Sie packte es und spürte den dicken Rand eines Saums: ein Fetzen vom Unterrock der Contessa, der sich um den Felsen gewickelt hatte.
Miss Temple griff etwas tiefer hinab, entdeckte eine kalte Blase und wand sich durch eine Öffnung, die für ihren Körper mehr als weit genug war. Der Druck in ihrer Lunge war schmerzhaft. Sie stieß sich ab und schoss aufwärts in eine stärkere Strömung. Jetzt, wo sie dringend Luft brauchte, wurden die Sekunden unerträglich lang.
Keuchend durchbrach sie, noch immer im Dunkeln, die Wasseroberfläche und verschluckte sich sogleich. Sie würgte und hätte beinahe den Lederkoffer losgelassen. Ihr lautes Keuchen erzeugte ein Echo. Es gab eine Strömung. Miss Temple schwamm an den Rand, und ihre Hand berührte keinen Fels, sondern glitschige Ziegel.
Sie ließ sich treiben, kam dabei wieder zu Atem und tastete sich dann am Ufer entlang. Sie begann zu zittern. Ihre Hände berührten etwas, das aus dem Backstein hervorstand – sie brauchte einen Moment, um zu begreifen, dass es sich um Leitersprossen handelte. Miss Temple kletterte auf einen kalten, jedoch trockenen Anleger, wo sie sitzen blieb.
Beim Knarren von Holz drehte sie sich um. Im Schein einer Kerze, ein gutes Stück entfernt, jedoch näher kommend, nahm ein dunkler Fleck langsam Gestalt an, und direkt hinter dem Schein erkannte sie ein ovales Gesicht.
»Endlich. Sie sehen ja wirklich entsetzlich aus. Beeilung.«
»Das Problem ist natürlich, dass wir vielleicht noch einmal schwimmen müssen.«
Miss Temple zitterte unter einer schweren Wolldecke und war zu verfroren, um sich von ihrer Nacktheit irritieren zu lassen. Ihre Zähne klapperten, und sie presste die bloßen Knie gegen ihre Brüste. Die Contessa, deren Haar in ein Handtuch gehüllt war, trug einen weißen Bademantel und Korkslipper, die sie aus den Bädern entwendet hatte. Sie hatte Brandy in eine Teetasse gegossen und reichte sie hinüber.
»Trinken Sie. Langsam .«
Miss Temple nahm kleine, brennende Schlucke. Sie verabscheute den Geschmack, war jedoch dankbar für die angenehme Wärme.
»Ist Ihnen jemand gefolgt?«
Miss Temple schüttelte den Kopf. Die Contessa starrte sie an, weil ihr die Antwort nicht genügte, und so lieferte Miss Temple eine kurze Zusammenfassung von Mr. Schoepfils Anschlag auf die guten Sitten und ihre eigene Flucht. Am Schluss war ihre Tasse leer, und sie hielt sie ihr hin, weil sie mehr haben wollte. Die Contessa schenkte ihnen beiden nach, wobei sie sich den Bademantel über die Knie zog. Hinter der Contessa lagen mehrere aufgeklappte Esskörbe wild durcheinander. Miss Temple hatte sie mit ihrer Ankunft bei geräucherten Austern in Soße gestört, und die Contessa stellte den Topf zurück
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