Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Alchemie des Bösen: Roman (German Edition)

Die Alchemie des Bösen: Roman (German Edition)

Titel: Die Alchemie des Bösen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gordon Dahlquist
Vom Netzwerk:
Contessa zu nahe gekommen? Folgte er ihr noch immer, oder war er getötet worden? Wenn er geflohen war, dann nicht in sein Dachzimmer. Gab es überhaupt einen Weg herauszufinden, wo der Mann untergetaucht war? Eine Möglichkeit war ein Bordell. Miss Temple hatte ihm Geld vorgeschossen …
    Er versuchte es bei den South Quays. Pfaff war nicht dort. Chang sprach mit den kräftigen Männern an der Tür und dann mit der spindeldürren Mrs. Wells, die so überrascht war, Kardinal Chang lebend zu sehen, dass sie vergaß, Geld für die Auskunft zu nehmen. Als er wieder auf dem schmutzigen Kopfsteinpflaster der Dagging Lane stand, legte er die Stirn in Falten. Er hatte die South Quays noch nie so ruhig erlebt – mochte es eine noch so frühe Stunde sein –, und er konnte sich auch nicht erinnern, die Fiddler im Hauptsalon kratzen gehört zu haben. War Mrs. Wells so besorgt, dass sie einen Verbrecher wie Chang nicht verärgern wollte? Weil er sich keine gefühllosere Person als die hakennasige Bordellchefin vorstellen konnte, musste er diese beunruhigende Möglichkeit in Betracht ziehen.
    Pfaff konnte in einem von zwanzig Gasthäusern am Flussufer ein Zimmer gefunden haben, doch Chang hatte keine Zeit mehr für die Suche. Er wandte sich vom Fluss ab, wobei er die breiteren Straßen nahm. Die kleinen Gassen waren noch immer voller unzufriedener armer Leute, und er hatte keine Lust, deren Feindseligkeit oder seine Anteilnahme zu wecken. Chang blieb plötzlich stehen – Anteilnahme und Feindseligkeit, genau das war es. Pfaffs Stolz: Er würde sich einen Unterschlupf suchen, wo er sich geschützt fühlte, nicht anonym. Chang hatte sich nicht so schnell zeigen wollen, aber es gab einen Ort, den er nicht meiden konnte.
    Als er das Raton Marine erreichte, war Nebel aufgezogen, und die Tische draußen waren leer. Chang drängte sich hinein und trat zu Nicholas an den Tresen. Beide Männer ignorierten das plötzliche Geflüster.
    »Man hat mir gesagt, du wärst tot.«
    »Ein echter Irrtum.« Chang nickte zur Galerie und den Gästezimmern. »Jack Pfaff.«
    »Ist er nicht für dich unterwegs?«
    »Die Männer, die er angeheuert hat, sind getötet worden. Pfaff hat sich ihnen wahrscheinlich angeschlossen.«
    »Die junge Frau …«
    »Hat den Falschen vertraut. Sie ist gekommen, weil sie Hilfe brauchte, und hat nur Stümper vorgefunden.«
    Nicholas antwortete nicht. Chang wusste wie jeder andere, dass die Position des Barkeepers auf seiner Fähigkeit beruhte, Geheimnisse bewahren zu können und niemanden zu bevorzugen – dass die Existenz des Raton Marine davon abhing, neutraler Boden zu sein.
    Chang beugte sich weiter vor und sagte leise: »Wenn Jack Pfaff tot ist, sind seine Geheimnisse nicht mehr wichtig. Andernfalls jedoch wird es ihn ziemlich sicher das Leben kosten, wenn du seine Geheimnisse bewahrst. Er hat sie dir erzählt – und ich weiß, dass er das getan hat, Nicholas –, nicht, damit du sie für dich behältst, sondern weil er damit angeben wollte – wie ein arrogantes Balg.«
    »Du unterschätzt ihn.«
    »Er kann mich jederzeit eines Besseren belehren.«
    Nicholas begegnete Changs grimmigem Blick, griff dann unter den Tresen und kam mit einer durchsichtigen, glänzenden Scheibe von der Größe eines Goldstücks wieder hervor. Das Glas war wie eine Münze mit einem jugendlichen Porträt der Königin geprägt. Auf der anderen Seite stand in eleganter Schrift: »Sullivar Glassworks, 87 Bankside.«
    Chang schob sie dem Barkeeper zurück.
    »Das wievielte Leben ist das, Kardinal?«, erklang eine schleppende Stimme auf der Galerie über ihm. »Oder sind Sie bereits eine Leiche?«
    Chang ignorierte das Gelächter, das sich erhob, und trat auf die Straße.
    Er fiel in Laufschritt und eilte an Schiffen und den herumschwirrenden Dockarbeitern vorbei zu einer breiten hölzernen Rampe, an der sich Stände mit Kunsthandwerk reihten. Sie fiel zum Kiesstrand hin ab und zog sich eine Viertelmeile daran entlang, bevor sie wieder anstieg. Ein- oder zweimal im Jahr wurde das Ufer überflutet, aber das Land war so wertvoll – man hatte von dort aus direkten Zugang zum Schiffsverkehr (und, wie sich von selbst verstand, ohne dergleichen Dinge wie Zoll) –, dass niemand überhaupt auf die Idee kam, sich woanders anzusiedeln. Stets erneuert, waren die Anlagen von Bankside ein Gewirr aus Holzhütten, die so dicht beieinanderlagen wie schwingende Hängematten auf dem Kanonendeck einer Fregatte.
    Das hohe Tor – mit dem Händler von Bankside

Weitere Kostenlose Bücher