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Die Alchemie des Bösen: Roman (German Edition)

Die Alchemie des Bösen: Roman (German Edition)

Titel: Die Alchemie des Bösen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gordon Dahlquist
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nicht. Er bewegte sich steif, als wäre sein Oberkörper aus Stahl. Hatte ihn ein Dolch erwischt? Miss Temple sprang winkend auf und ab. Schließlich drehte sich Ropp zu ihr um. Selbst aus dreißig Meter Entfernung war Chang erschrocken über die trüben Augen des Mannes. Ropp schwankte und schob eine Hand unter seinen Überzieher, als drücke er sie auf eine Wunde.
    Chang begriff. Die Gestalt mit der weißen Perücke in der Kutsche war Foison gewesen. Die Fässer am Dock von Raaxfall. Die Hülle von Ropps Leib.
    »Um Gottes willen – runter!«
    Chang packte Miss Temple und versuchte, so gut wie möglich ihren Körper zu schützen. Ein ohrenbetäubender Lärm ertönte, und Rauch und Feuer einer Explosion verschlangen die Luft. Ein unmenschliches, durchdringendes Kreischen traf die Menge wie ein Pfeilhagel, und sie antwortete mit markerschütternden Schreien. Chang hob den Kopf, die Brille schief auf der Nase und ein Dröhnen in den Ohren. Überall lagen zerfetzte und sich windende Körper. Wo Ropp gestanden hatte, befand sich ein schwarzes und rauchendes Loch. Eine grauhaarige Frau ging neben Chang zu Boden, den Mund schaumbedeckt und einen blauen Glassplitter in einem Auge. Während er sie anstarrte, füllte sich der weiße Augapfel mit Indigo, und aus den schrillen Schmerzensschreien der Frau wurde blinder Zorn.

Kapitel Drei
PALAST
    D oktor Svenson war mit seinen Gedanken woanders. Nach Jahren eintönigen Dienstes beim Herzog von Mecklen burg hatte er in Eloise Dujong eine neue Chance gese hen – hatte gespürt, wie sein Herz zum Leben erwachte –, nur um zu erleben, wie sich dieser Hoffnungsschimmer als grundloser Optimismus eines Dummkopfs erwies. Er gab allein sich die Schuld, trauerte um Eloise, gestattete sich jedoch keinerlei Anspruch darauf, ihrer zu gedenken, nachdem er sich schließlich so blamiert hatte. Stattdessen hatte sich Svenson, nach wie vor voller Schmerz und fassungslos, wieder auf seine Pflicht geworfen, so schnell es seine Gesundheit erlaubte – indem er Phelps und Cunsher half. Jetzt war er wieder mit der sichtlich verstörten Celeste Temple und dem grimmigen Kardinal Chang vereint, allerdings erinnerte ihn ihre Gesellschaft nur an seinen Verlust. Während er mit dem Rücken am kalten Stein der Statue von St. Isobel lehnte, fragte er sich, wie viel von seinem Leben ohne Zweck vergangen war, jeder Verzicht unterstrichen von einer knappen Verbeugung und einem Zusammenschlagen der Hacken?
    Der Doktor stieß scharf die Luft aus und schüttelte den Kopf. Er hatte seine eigene Disziplin und sein eigenes schwaches Feuer.
    Diese Handlung rettete ihm das Leben. Svenson hörte Changs Warnung und ließ sich zu Boden fallen, und die Glasscherben pfiffen über seinen Kopf hinweg.
    Er rappelte sich auf, und die Ohren dröhnten ihm. Neben Chang lag eine alte Frau, eine von Hunderten, die niedergestreckt worden waren. Obwohl er sich noch nie mitten im Schlachtgetümmel befunden hatte, war Svenson Zeuge von Verletzungen durch Artilleriegeschütze gewesen und hatte seinen Anteil an zerfetzten Menschenleibern gesehen. Der Platz von St. Isobel war voll davon. Svenson starrte auf den versengten Flecken, wo die Bombe detoniert war.
    Rings umher kämpften die Opfer mit einer unheiligen Energie – sie heulten und schlugen auf jeden ein, der ihnen zu nahe kam, sie strampelten wie Pferde bei einem Kutschunfall –, unfähig, sich zu erheben, unfähig, ihren Zustand zu begreifen. Chang wälzte sich von Miss Temple herunter, die anscheinend unverletzt war. Phelps und Cunsher, beide am Leben, rangen hinter ihm mit einem Mann in blutbespritzter Weste. Der Mann brüllte, und während er sich drehte und wand, bekamen die dunklen Flecken auf seiner Weste Risse und zersprangen – das Blut aus seinen Wunden hatte sich zu Glas verfestigt. Ohne jeden Skrupel verpasste Chang dem Mann einen Tritt ans Kinn und befreite damit Phelps und Cunsher. Der Doktor las Chang die Worte ebenso sehr von den Lippen ab, wie er sie hörte:
    »Hier ist nichts! Beeilung!«
    Die Kavallerie ließ ihre Trompeten erschallen und setzte sich endlich in Bewegung, um die Ordnung wiederherzustellen, und in einer schrecklichen Vorahnung sah Svenson, was geschehen würde. Er rief laute Anweisungen, während er in die entgegengesetzte Richtung stolperte und dabei Miss Temple mit sich zog.
    »Hier entlang! Wir dürfen uns nicht dazwischen einkeilen lassen!« Chang fuhr mit einem ungeduldigen Ausdruck herum. Svenson zeigte auf die heranrückenden Reiter,

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