Die Alchimistin - 02 - Die Unsterbliche
länger den Reflex unterdrücken konnte, einzuatmen, ihre Lungen mit Wasser zu füllen. Dann aber brach sie durch die Oberfläche, holte Luft, wieder und wieder, ehe sie Gian neben sich sah, mit starrem Gesicht und Augen, die sie ansahen, eindeutig lebendig und doch leblos, so als sei mit seiner Mutter auch etwas von ihm selbst in der Tiefe zurückgeblieben.
Cristóbals Boot war etwa fünf Meter von ihnen entfernt. Er stand an Deck, wandte ihnen den Rücken zu und beugte sich über die gegenüberliegende Reling.
Tess gab Gian einen Stoß, dann glitten sie lautlos auf die Jolle zu. Sie packte ihn am Arm, zog ihn das letzte Stück mit sich und klammerte sich dann im Schatten des Ruderbootes mit einer Hand am Heck fest. Sie waren jetzt genau hinter der Jolle, und alles, was Cristóbal vom Boot aus hätte sehen können, waren Tess’ Finger, die sich um den Rand der Reling krallten. Doch er war viel zu beschäftigt damit, nach Schwimmern im Wasser Ausschau zu halten, und als er schließlich aufgab, war er wohl sicher, dass sie zum Ufer entkommen waren.
Mit einem Heulen sprang der Motor an. Langsam setzten sie sich in Bewegung, Tess an das Ruderboot geklammert, Gian in ihrem Arm, während das Boot wendete und sie über den See zog, der Insel und Cristóbals Traum vom Heiligen Gral entgegen.
KAPITEL 24
Gillian tötete den Assassinen mit einem blitzschnellen Schlag. Während des Gefechts war das schwarze Tuch vor dem Gesicht seines Gegners verrutscht, und Gillian konnte sehen, gegen wen er kämpfte, einen Jungen von siebzehn, achtzehn Jahren, schwarzhaarig und mit Augen, in denen sich Zorn, Hass und Furcht die Waage hielten.
Nichts davon hatte Gillian abhalten können, ihn umzubringen. Jetzt nicht mehr. In Augenblicken wie diesem verpuffte die Bedeutung eines Worts wie Gnade zu etwas Fremdem, Fernem, Bedeutungslosem.
Er hatte keine andere Wahl gehabt, als den Jungen zu töten – das wusste er spätestens, seit er versucht hatte, mit den sechs Assassinen zu reden, die sich ihnen in einer Halle im Erdgeschoss entgegengestellt hatten. Sie hatten ihn nicht einmal aussprechen lassen, sondern sich mit wildem Kampfgeschrei auf ihn, Karisma und Auras mysteriösen Begleiter geworfen.
Er zog das Schwert aus der klaffenden Wunde in der Stirn des Jungen. Die Klinge kam frei, und der Hinterkopf des Toten schlug mit einem dumpfen Krachen auf den Boden.
Karisma kämpfte mit zwei Gegnern gleichzeitig, während Konstantin alle Hände voll mit einem Assassinen zu tun hatte, den er sich mit Hilfe eines Schwertes vom Leibe hielt – mehr schlecht als recht, aber bislang noch einigermaßen erfolgreich.
Er blutete aus ein paar Schnittwunden, und seine rechte Gesichtshälfte war bei einem Ausweichmanöver gegen eine Wand geprallt; sie begann gerade, sich blau zu färben.
Zwei weitere Assassinen lagen reglos ein Stück weiter vorne am Eingang der Halle, wo sich der Trupp den drei Eindringlingen entgegengeworfen hatte. Wären sie erfahrenere Kämpfer gewesen, hätten Gillian und die anderen keine Chance gehabt. Aber Cristóbal hatte begonnen, den Tempel der Schwarzen Isis aus dem Nichts heraus neu aufzubauen, und seine Schützlinge aus dem Waisenhaus hatten ihre Ausbildung noch längst nicht beendet. Falls der Graf selbst sie die Kampftechniken der Assassinen gelehrt hatte, machte ihn das zu einem gefährlicheren Mann, als Gillian gehofft hatte. Cristóbal sah nicht aus wie jemand, der perfekt war im Umgang mit dem arabischen Krummschwert, und das war womöglich sein größter Vorteil. Ihn zu unterschätzen, konnte ein lebensgefährlicher Fehler sein.
Gillian stürzte sich auf Karismas zweiten Gegner, gerade als dieser und sein Gefährte die Templerin in die Zange nehmen wollten. Gillians Angriff brachte die beiden aus dem Konzept. Für einen erfahrenen Kämpfer wäre das kein Problem gewesen, er hätte sich mühelos auf die neue Situation eingestellt. Die Jungen aber waren eine Sekunde lang irritiert. Ganz kurz nur wurden sie aus ihrer Konzentration gerissen, und aus ihrer Verbissenheit wurde Verwirrung. Der Augenblick genügte Karisma, um den einen der beiden auszuschalten. Ihre Klinge züngelte vor und zurück, und einen Moment später ließ der Assassine sein Schwert fallen, griff sich mit beiden Händen an den Hals und brach in die Knie. Blut sprühte zwischen seinen Fingern hervor, dann kippte er nach vorn aufs Gesicht und blieb liegen.
Gillians Gegner ließ sich nicht ganz so rasch besiegen, auch wenn seine Attacken immer
Weitere Kostenlose Bücher