Die Alhambra oder das neue Skizzenbuch (German Edition)
halten.«
»Höre, Kamerad,« sagte ich, »was bedeutet denn alles dieß?«
»Das ist ein großes und furchtbares Geheimniß,« sagte der Reiter. »Wisse, o Christ, daß du den Hof und das Heer Boabdils, des letzten Königs von Granada, vor dir siehst.«
»Was sagt ihr mir da?« rief ich. »Boabdil und sein Hof sind vor Jahrhunderten aus dem Lande verbannt worden, und alle in Afrika gestorben.«
»So wird es in euern lügenhaften Chroniken erzählt,« versetzte der Maure; »aber wißt, Boabdil und die Krieger, welche zuletzt für Granada gekämpft haben, sind alle durch mächtigen Zauber in dem Berge eingeschlossen. Was den König und die Armee betrifft, welche zur Zeit der Uebergabe von Granada wegzogen, so war dieß ein bloßer Schattenzug von Geistern und Dämonen, welche diese Gestalten annehmen durften, um die christlichen Herrscher zu täuschen. Und ferner laßt mich euch erzählen, Freund, daß ganz Spanien ein in Zaubermacht befangenes Land ist. Es gibt keine Höhle auf den Bergen, keinen einsamen Wartthurm auf den Ebenen, kein zerfallenes Schloß auf den Höhen, in deren Gewölben nicht von Jahrhundert zu Jahrhundert bezauberte Krieger schlafen, bis die Sünden gebüßt sind, wegen welchen Allah es zuließ, daß die Herrschaft eine Zeitlang aus den Händen der Gläubigen kam. Einmal im Jahr, am h. Johannistag, werden sie, vom Sonnenniedergang bis zum Sonnenaufgang von dem Zauber erlößt, und dürfen hierher kommen, um ihrem König zu huldigen, und die Menge, welche ihr in die Höhle eilen seht, sind Moslemin-Krieger, welche aus ihrem Aufenthaltsort in allen Theilen Spaniens hierher kommen. Mich betreffend, so saht ihr den verfallenen Thurm an der Brücke in Alt-Castilien, wo ich jetzt so viele Jahrhunderte Winter und Sommer hingebracht habe, und wohin ich bei Tagesanbruch zurück muß. Die Abtheilungen Reiter und Fußvolk, welche ihr in Schlachtordnung in den umliegenden Hallen aufgestellt sahet, sind bezauberte Krieger von Granada. Es ist in dem Buche des Schicksals geschrieben, daß wenn der Zauber gebrochen wird, Boabdil an der Spitze seines Heeres aus dem Berge kömmt, seinen Thron in der Alhambra und seine Herrschaft über Granada wieder einnimmt, die bezauberten Krieger aus allen Theilen Spaniens sammelt, die Halbinsel wieder erobert und sie der Herrschaft der Moslemin zurückgibt.«
»Und wann wird dies eintreffen?« sagte ich.
»Allah allein weiß es: wir hatten gehofft, der Tag der Befreiung sey gekommen; aber es gebietet jetzt ein wachsamer Statthalter in der Alhambra, ein tapferer alter Soldat, als Statthalter Manco wohl bekannt. So lange ein solcher Krieger über den ersten Posten befiehlt und stets fertig ist, den ersten Ausfall aus dem Berge zu vereiteln, fürchte ich, müssen Boabdil und sein Heer sich begnügen, auf ihren Waffen zu ruhen.«
Hier richtete sich der Statthalter etwas senkrecht empor, zog seinen Säbel an sich und drehte seinen Schnurrbart empor.
»Um eine lange Geschichte kurz zu machen und die Excellenz nicht zu ermüden, – der Reiter stieg, nachdem er diese Kunde gegeben hatte, von seinem Rosse.«
»Bleibt hier,« sagte er, »und gebt auf mein Pferd acht, während ich gehe und vor Boabdil das Knie beuge!« Bei diesen Worten eilte er weg zu dem Haufen, der sich dem Thron entgegen drängte.«
»Was ist zu thun?« dachte ich, als ich so mir selbst überlassen war: »soll ich hier warten, bis dieser Ungläubige zurückkömmt und mich auf seinem Kobold-Pferde wieder hinweg huscht, der Himmel weiß wohin? Oder soll ich die Zeit benutzen und von dieser Spuk-Gesellschaft mich zurückziehen? Ein Soldat ist schnell entschlossen, wie die Excellenz wohl weiß. Was das Pferd anging, so gehörte es einem offenbaren Feinde des Glaubens und des Reichs und war nach dem Kriegsrecht eine gute Prise. So schwang ich mich von dem Kreuz in den Sattel, wendete die Zügel, preßte die maurischen Steigbügel in die Seiten des Pferdes und trieb es auf dem Wege, den wir hereingekommen waren, auf das rascheste vorwärts. Als wir an den Hallen, wo die Moslemin-Reiter in bewegungslosen Abtheilungen saßen, vorüber kamen, glaubte ich Waffenklang und ein hohles Murmeln von Stimmen zu hören. Ich ließ das Pferd die Steigbügel nochmals schmecken und verdoppelte meine Eile. Es ließ sich jetzt hinter mir ein Ton, wie ein Rauschen des Windes, vernehmen; ich hörte das Trappeln von tausend Pferdehufen; ein zahlloser Haufe holte mich ein. Ich wurde in dem Gedränge mit fortgerissen und stürzte aus
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