Die Alhambra oder das neue Skizzenbuch (German Edition)
Loch, das, niemand weiß wie weit, in den Berg hinab geht und hier bis auf den heutigen Tag – der fabelhafte Eingang zu der unterirdischen Wohnung Boabdil’s – zu sehen ist.
Allmählig wurde der Soldat bei dem gemeinen Volke beliebt. Ein Freibeuter des Gebirgs ist keineswegs der verhaßte Charakter in Spanien, wie es ein Räuber in andern Ländern ist: im Gegentheil, er ist eine Art ritterlicher Person in den Augen der niedern Klasse. Auch läßt sich stets eine Neigung verspüren, das Benehmen der Vorgesetzten zu bekritteln, und manche begannen jetzt über die strengen Maßregeln des alten Statthalters Manco zu murren und den Gefangenen in dem Lichte eines Martyrs zu betrachten.
Ueberdies war der Soldat ein lustiger, possierlicher Bursche, welcher für jeden, der in die Nähe seines Fensters kam, einen Scherz, und für jedes weibliche Wesen ein freundliches Wort bereit hatte. Er hatte sich auch eine alte Guitarre verschafft und saß an seinem Fenster und sang Balladen und Liebeslieder, zur großen Lust der Weiber der Nachbarschaft, die sich an den Abenden auf dem Platze versammelten und Boleros zu seiner Musik tanzten. Er hatte seinen krausen Bart hübsch aufgeputzt und sein sonneverbranntes Gesicht fand Gnade vor den Augen der Schönen und die sittsame Dienerin des Statthalters erklärte, man könne seinem schiefen Blicke durchaus nicht widerstehn. Dieses mildherzige Mädchen hatte von Anfang her eine innige Theilnahme an seinem Loose gezeigt und da sie sich vergebens bemüht hatte, den Statthalter zu erweichen, fand sie Mittel, die Strenge seiner Gefangenschaft heimlich zu mildern. Jeden Tag brachte sie dem Gefangenen einige Brosamen des Trostes, die von des Statthalters Tafel gefallen oder seiner Speisekammer entzogen worden waren, so wie auch manchmal eine erheiternde Flasche guten Val di Pennas oder trefflichen Malaga.
Während dieser Verrath an dem Herrn in dem Mittelpunkt der Citadelle des alten Statthalters vor sich ging, zog sich ein Sturm offenen Kriegs bei seinen äußern Feinden zusammen. Der Umstand, daß ein Sack mit Gold und Juwelen an der Person eines angeblichen Räubers gefunden worden sey, wurde zu Granada mit vielen Uebertreibungen erzählt. Alsbald erhob des Statthalters eingefleischter Feind, der General, einen Streit über die Territorial-Gerichtsbarkeit. Er bestand darauf, der Gefangene sey außerhalb des Gebietes der Alhambra, und innerhalb seines Bereiches festgenommen worden. Er begehrte sonach den Mann und die an ihm gefundenen
spolia opima
. Da auch der Großinquisitor durch den Mönch von den Kreuzen und andern heiligen Gegenständen, welche in dem Sack enthalten, gehörige Nachricht erhalten hatte, nahm er den Angeklagten, als des Kirchenraubs schuldig, in Anspruch und bestand darauf, seine Beute gehöre der Kirche, sein Körper aber dem nächsten
Auto da fe
an. Der Streit ward grimmig, der Statthalter wüthete und schwur, ehe er den Gefangenen übergebe, werde er ihn in der Alhambra als Spion aufhängen, der innerhalb des Bereichs der Veste aufgegriffen worden.
Der General drohte, er werde eine Abtheilung seiner Mannschaft schicken, um den Gefangenen aus dem rothen Thurm in die Stadt zu versetzen. Der Großinquisitor neigte sich auch dahin, eine Anzahl Diener des heiligen Gerichtes abzusenden. Die Nachricht von diesen Umtrieben kam spät Nachts zu den Ohren des Statthalters. »Laßt sie kommen,« sagte er, »sie werden mich bereit finden; der muß früh aufstehen, der einen alten Soldaten überrumpelt.« Er gab sonach Befehl, mit Tagesanbruch den Gefangenen in einen Kerker innerhalb der Mauern der Alhambra zu bringen. »Und hörst du, Kind,« sagte er zu der sittsamen Dienerin, »klopfe an meine Thüre und wecke mich ehe der Hahn kräht, damit ich selbst nach der Sache sehe.«
Der Tag dämmerte, der Hahn krähte, aber niemand pochte an der Thüre des Statthalters. Die Sonne erhob sich hoch über die Bergspitzen und glänzte durch seine Fenster herein, ehe der Statthalter aus seinen Morgenträumen von dem alten Korporal geweckt wurde, der mit einem Gesicht, auf welches der Schrecken gestempelt war, vor ihm stand.
»Er ist fort! er ist auf und davon!« rief der Korporal und schnappte nach Athem.
»Wer ist fort – wer ist auf und davon?«
»Der Soldat – der Räuber – der Teufel – nach allem, was ich gesehen habe. Sein Kerker ist leer, aber die Thüre verschlossen – niemand weiß, wie er heraus kam.«
»Wer sah ihn zuletzt?«
»Eure Dienerin! sie brachte ihm das
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