Die Alhambra oder das neue Skizzenbuch (German Edition)
der Höhle, während Tausende von dunkeln Gestalten von den vier Winden des Himmels in allen Richtungen verweht wurden.«
»In dem Wirbel und der Hast dieser Scene wurde ich besinnungslos vom Pferd geworfen. Als ich zu mir kam, lag ich am Rand eines Hügels und das arabische Roß stand neben mir; denn beim Fallen war mein Arm in den Zügel geschlüpft, was, wie ich glaube, es hinderte, nach Altkastilien zurückzujagen.«
»Eure Excellenz mag leicht urtheilen, mit welchem Staunen ich Aloegebüsche und indische Feigen und andere Beweise eines südlichen Klima’s um mich, und eine große Stadt mit Thürmen, Palästen und einer Kathedrale unter mir sah.«
»Ich stieg sorgfältig den Hügel nieder, indem ich mein Pferd führte, denn ich fürchtete mich, es wieder zu besteigen und mir einen mißlichen Streich von ihm spielen zu lassen. Beim Herabsteigen stieß ich auf eure Streifwache, welche mir das Geheimniß enthüllte, daß Granada vor mir liege, und daß ich unter den Mauern der Alhambra sey, der Veste des gefürchteten Statthalters Manco, des Schreckens aller bezauberten Moslemin. Als ich dies hörte, beschloß ich sofort, Eure Excellenz aufzusuchen, euch von allem, was ich gesehen hatte, zu unterrichten und vor den Gefahren zu warnen, welche euch umgeben und untergraben, damit ihr bei Zeiten Maßregeln ergreift, eure Veste und selbst das Königreich vor diesem innern Heere zu sichern, das in den Eingeweiden des Landes lauert.«
»Und höret, Freund,« sagte der Statthalter, »was würdet ihr als alter Soldat und als Krieger von vieler Erfahrung mir zu thun rathen, um diesem Uebel zuvorzukommen?«
»Es ziemt sich nicht für den demüthigen gemeinen Soldaten,« sagte der Fremde bescheiden, »einen General von Eurer Excellenz Scharfsinn belehren zu wollen; allein es dürfte gut seyn, wenn Eure Excellenz alle Höhlen und Eingänge in die Berge mit gutem, festem Mauerwerk vermachen ließ, so daß Boabdil und sein Heer in ihrer unterirdischen Wohnung vollkommen eingepfropft wären. Wenn auch der gute Pater,« fügte der Soldat hinzu, beugte sich ehrerbietig vor dem Mönch und kreuzte sich fromm, »die Vermache mit seinem Segen weihen und einige Kreuze und Reliquien und Heiligenbilder darauf setzen wollte, würden sie, glaube ich, aller Macht unchristlichen Zaubers widerstehen.«
»Sie würden ohne Zweifel von großem Nutzen seyn,« sagte der Mönch.
Der Statthalter stemmte jetzt seinen Arm unter, legte seine Hand auf den Korb seines Toledo, heftete sein Auge auf den Soldaten und wiegte seinen Kopf lächelnd von einer Seite auf die andere.
»Also, Freund,« sagte er, »ihr glaubt wirklich, ihr könntet mich mit euren Märchen von bezauberten Bergen und bezauberten Mauren hinter’s Licht führen? Hört, Beklagter – kein Wort mehr! Ein alter Soldat möcht ihr seyn, aber ihr sollt sehen, daß ihr es mit einem alten Soldaten zu thun habt, und mit einem, den man nicht so leicht übertölpelt. Heda. Wache! Legt diesen Burschen in Eisen.«
Das sittsame Mädchen wollte eine Fürbitte für den Gefangenen einlegen, aber der Statthalter brachte sie mit einem Blick zum Schweigen.
Als sie den Soldaten banden, fühlte einer von der Wache etwas hartes in seiner Tasche; er zog es heraus und sah, daß es eine lange lederne Börse war, welche wohl gespickt schien. Er nahm sie an einem Ende und leerte den Inhalt vor dem Statthalter auf den Tisch und nie zeigte sich eines Freibeuters Tasche stattlicher gefüllt. Ringe und Juwelen und Perlenschnüre und funkelnde Diamantkreuze und eine Fülle alter Goldmünzen fielen heraus; viele der letztern flogen klingend auf die Erde und rollten in die fernsten Theile des Zimmers.
Die Verrichtungen der Justiz wurden eine Zeitlang aufgehoben; die glänzenden Flüchtlinge setzten alles in Bewegung. Nur der Statthalter, der von dem echten spanischen Stolz durchdrungen war, behielt seinen ernsten Anstand bei, obgleich sein Auge einige Angst verrieth, bis die letzte Münze und der letzte Juwel wieder in dem Sack waren.
Der Mönch war nicht so ruhig; sein ganzes Gesicht glühte wie ein Ofen und seine Augen blitzten und zuckten bei dem Anblick der Perlenschnüre und Kreuze.
»Ruchloser Frevler, der du bist!« rief er: »welche Kirche, welches Heiligthum hast du dieser heiligen Gegenstände beraubt?«
»Keins von beiden, frommer Vater. Wenn sie Kirchenraub sind, muß der ungläubige Reiter, von dem ich gesprochen habe, sie vor langer Zeit gestohlen haben. Ich wurde eben unterbrochen, als ich
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